top of page

Prototyp Leicester: Eine Schattenseite der Globalisierung?



Journalistischer Abstract:

Zu dem Motto „Schattenseiten der Globalisierung“ wird gezeigt, dass die Globalisierung neben all den bekannten positiven Wirkungen Ursache einer dramatischen Entwicklung ist! Anhand des Fallbeispiels Leicester (England) wird dargelegt, wie es durch die Globalisierung zu einem Import der asiatischen Arbeitsverhältnisse nach Europa kommt. Diese Hausarbeit des „Fokusmoduls“ umfasst alle drei Disziplinen des Politik-, Philosophie- und Ökonomie Studiums. Es wird ausführlich ökonomisch und wirtschaftsphilosophisch hergeleitet, wieso die prekären Arbeitsbedingungen der Textilindustrie in Leicester nicht zufällig entstanden, sondern offenbar Resultat der Globalisierung zu sein scheinen. Dabei wird die Globalisierung zunächst als ein politisch-ökonomisches Phänomen beschrieben, dessen Ursprung in den 1970 Jahren zu finden ist. Anhand von Interviews mit einem Arbeitnehmer und einem lokal arbeitenden Professor, ersten Forschungen und Datenerhebungen, Statements seitens des Modelabels Bohoo, Beobachtungen aus der Presse und Berichten von Nichtregierungsorganisationen knüpft diese Ausarbeitung einen Flickenteppich, welcher Aufschlüsse über die Entwicklungen in der englischen Stadt gibt und eine mögliche Schattenseite der Globalisierung präsentiert. Es kann gezeigt werden, wie die Globalisierung wirtschaftlich Insourcing der Produktion bei prekären Arbeits- und Lebensstandards notwendig macht und wieso der Staat seine Gesetzgebung dahingehend nicht durchsetzt. Mit Hilfe von Hans Jonas’Ansatz zur „Ethik der Verantwortung“ wird schließlich gezeigt, weswegen die Firmen, hier vor allem „Bohoo“, trotz all ihrer Mühen die Verantwortung nicht von sich weisen können.


1. Einleitung

Draußen ist es kalt. Es regnet. Die Regentropfen prasseln gegen die abgedunkelten Fensterscheiben. Diese verhindern, dass genügend Licht in die kleine Fabrik gelangt. In dem engen Raum sitzen Näherinnen, fast ausschließlich Frauen, welche in gebeugter Haltung an kleinen Tischen hocken und systematisch ihre Arbeit verrichten. Es ist stickig und staubig, einige der Frauen sind krank und hatten seit dem Beginn ihrer Schicht keine Pausen. Sie werden bis zu zwölf Stunden am Stück arbeiten, dennoch werden die Arbeiterinnen sehr schlecht bezahlt und sind trotz allem gezwungen, ihre Arbeit zu behalten. Zustände wie diese finden sich in Textilfabriken der Fast Fashion-Industrie in China, Bangladesch oder Indien. Diese Fabrik liegt woanders. Sie befindet sich in Leicester, Großbritannien. Leicester ist für seine Textilindustrie bekannt, die Produktion innerhalb der Fast Fashion-Industrie ist jedoch relativ neu. In Leicester arbeiten aktuell circa 10.000 Arbeiterinnen in ungefähr 700 Fabriken unter vergleichbaren Bedingungen. Während in den vergangenen Jahren oftmals das Outsourcing von Lieferkettenschritten westlicher Unternehmen in ferne Länder untersucht wurde, beschäftigt sich diese Arbeit mit einem neueren Phänomen. Es wird untersucht, wie die Zustände der Textilindustrie in Leicester entstanden sind. Daher ist die Forschungsfrage dieser Ausarbeitung: Sind die Unterschreitungen der Arbeits- und Sozialstandards in Leicester eine Schattenseite der Globalisierung? Anhand der textilverarbeitenden Industrie in Leicester in Verbindung mit dem Modegiganten Boohoo werden wir erörtern, wie Gesundheit und Sicherheit von Menschen gefährdende Arbeitsbedingungen aus Nationen wie Bangladesch und Pakistan wieder zurück nach Großbritannien importiert wurden. Des Weiteren werden wir auf die dahinterstehende Motivation der Unternehmen eingehen und darstellen, mit welchen Maßnahmen und Konsequenzen Politik und Gewerkschaften auf die jüngsten Ereignisse in der Stadt Leicester reagierten. Anhand von Interviews mit einem Arbeitnehmer und einem lokal arbeitenden Professor, ersten Forschungen und Datenerhebungen, Statements seitens des Modelabels, Beobachtungen aus Presse und Berichten von Nichtregierungsorganisationen lässt sich ein Flickenteppich zusammenknüpfen, welcher Aufschlüsse über die Entwicklungen in der englischen Stadt gibt und eine mögliche Schattenseite der Globalisierung präsentiert. Weiterführend werden wir mithilfe des aktuellen Wissensstands, Ansätzen zur Ethik der Verantwortung und verschiedener eigener entwickelter Gedanken versuchen zu erklären, 5 inwiefern das Phänomen in Leicester tatsächlich auf die im Zuge der Globalisierung entstandenen strukturellen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen zurückzuführen ist. Die bislang erfolgten Erhebungen bezüglich der Arbeitsbedingungen innerhalb der textilverarbeitenden Industrie in Leicester und weiterführende Berichte über Verstöße während der Coronapandemie waren bislang eher beschreibender Natur. In dieser Arbeit möchten wir die unterschiedlichen Sichtweisen in Bezug zueinander setzen und vor dem Hintergrund der Themenfelder Philosophie, Politik und Ökonomik untersuchen. Diese erweiterte Perspektive kann tiefergehende Aufschlüsse über das Fallbeispiel in Leicester in Bezug auf aus der Globalisierung entstehende Problematiken, das Geschäftsmodell der Fast Fashion-Industrie, sowie über das zu beobachtende Verhalten von Akteuren aus Politik und Wirtschaft geben. Hinsichtlich der vorgegebenen Länge dieser Forschungsarbeit ist jedoch anzumerken, dass mit der Aufnahme sämtlicher Informationen aus Berichten, Dokumenten und Datenerhebungen eine über die reine Beschreibung hinausgehender Blickwinkel nicht möglich gewesen wäre. Anspruch des Projektes ist daher nicht die detaillierte Darstellung der Arbeitsbedingungen oder Versäumnisse der Politik: Ziel ist es stattdessen, eine neue Perspektive zu eröffnen, indem wir die bisherigen Ergebnisse und Entwicklungen bezüglich der möglichen Einordnung als Schattenseite der Globalisierung nach höchster Relevanz gefiltert haben, um diese in Beziehung zueinander, sowie zu bestehenden Theorien zu setzen. Diese Ausarbeitung bezieht sich als Fallstudie auf Leicester und erhebt daher nicht den Anspruch, quantitativ zu belegen, ob Leicester ein Einzelfall ist oder nicht. Dennoch werden wir innerhalb der qualitativen Untersuchung auch Hinweisen auf eine strukturelle Entwicklung nachgehen. Im ersten Schritt werden wir darlegen, wie die Unterschreitung der Standards mit der Globalisierung zusammenhängt. Dazu werden wir außerdem ein Narrativ für die gesamte Entwicklung anbieten, an deren Ende die Zustände in Leicester stehen. Weiterführend gehen wir auf die Geschichte der englischen Stadt seit den Ursprüngen der Industrialisierung bis zur Trendwende 2007 ein. Dadurch erhoffen wir uns, die Hintergründe des Narrativs zu verdeutlichen und eine Grundlage für unsere anschließenden Annahmen über die aktuelle Situation in Leicester zu schaffen. Im dritten Schritt stellen wir die Entwicklung des Modeunternehmens Boohoo seit 2020 dar und gehen auf die Arbeitsbedingungen in den textilproduzierenden Fabriken ein. Anhand dessen möchten wir dem Lesenden einen Einblick in die konkreten Lebens- und Arbeitszustände der Arbeitnehmenden geben und ein Verständnis für die Unternehmensstrategie und Vorgehensweise von Boohoo schaffen. Darauffolgend beschäftigen wir uns mit den Reaktionen von Regierung und Gewerkschaften auf die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken Leicesters. Eine anschließende Erörterung des durch das Unternehmen selbst finanzierten Reviews von Boohoo bezüglich der Arbeitsbedingungen und Verantwortung des Unternehmens gegenüber den zuvor beschriebenen Ereignissen zielt auf die Erfassung der getroffenen Argumentation in Verknüpfung mit ethischen Aspekten ab. Abschließend möchten wir eine Verbindung zwischen dem Narrativ und dem Fallbeispiel Leicester schaffen und dieses mithilfe der Teildisziplinen Philosophie, Politik und Ökonomik zusammenfassend einordnen.


2. Hauptteil

2.1 Narrativ

Im Rahmen dieser Ausarbeitung werden wir uns anhand des Fallbeispiels der Textilindustrie in Großbritannien mit der Fragestellung befassen, inwiefern die Globalisierung zur Unterschreitung von Sozial- und Arbeitsstandards in den westeuropäischen Nationen führt. Das Ziel dieses Abschnittes ist es, zunächst darzulegen, wie die Unterschreitung der Standards mit der Globalisierung zusammenhängt. Dazu wird ein theoretischer Ansatz hergeleitet, der das Phänomen Leicester in einen treffenden Kontext einbettet. Mit dem Auflösen des Bretton Woods Systems und der Politik der Deregulierung durch Politiker wie Margarete Thatcher oder Ronald Reagan wurde ein Grundstein für die wirtschaftliche Globalisierung gelegt (vgl. Wullweber 2021: 106). Das Wegfallen der Handelsbarrieren und die Reduktion grenzüberschreitender Transaktionskosten (z. B. durch Handelsabkommen) hat globale Märkte und Konzerne, wie wir sie heute kennen, überhaupt erst ermöglicht. Mit der jüngsten Globalisierungswelle ab 1980 ging aber auch das Outsourcing von Arbeit einher. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass bei der Ausnutzung komparativer Kostenvorteile durch die günstigen Arbeitskräfte im arbeitsreichen Ausland, die Kostenstruktur der Unternehmen bei der Produktion arbeitsintensiver Güter verbessert werden kann (vgl. Dieckheuer 2001: 33). Folglich kann das Produkt günstiger verkauft oder mit ihm mehr Gewinn gemacht werden. Da bei einem günstigeren Verkauf die Nachfrage steigt, führt auch dies zu höheren Gewinnen. Aus der Perspektive eines kapitalistischen Unternehmens ist Outsourcing also eine rationale Handlung. Die Arbeitskräfte im Ausland bekommen im Wesentlichen aus zwei Gründen einen niedrigeren Lohn: Zum einen, weil sie in der Regel eine geringere Ausbildung vorweisen können (vgl. World Bank 2018). Zum anderen, weil es in den westlichen Nationen viele Institutionen gibt, die ein bestimmtes Lohnniveau gewährleisten (vgl. EU-Info Deutschland 2019). Hier sind beispielsweise Tarifverträge und Gewerkschaften zu nennen. Im Allgemeinen wird hier von Sozial- und Arbeitsstandards gesprochen. Diese führen bei gleicher Arbeitsleistung zu einem höheren Lohn und besseren Arbeitsbedingungen. An dieser Stelle muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass das Kausalitätsverhältnis nicht geklärt ist. Eine 7 ökonomische Erklärung wäre, dass die Länder, in die aktuell outgesourct wird, solche Institutionen nicht haben, weil die Arbeitnehmer aufgrund des hohen Arbeitsangebots weniger Gestaltungsmacht haben. Eine andere Erklärung wäre, dass beide der genannten Gründe auch zu einem erheblichen Teil damit zusammenhängen, dass viele der Länder, in die outgesourct wurde, aufgrund ihrer Geschichte institutionell und gesellschaftlich nicht auf den Kapitalismus eingestellt waren (vgl. Silberberger et al. 2020). Trotzdem kann festgehalten werden, dass die Institutionen einen Vorteil für die Arbeiter der westlichen Länder bieten und die Institutionen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund durch den Staat durchgesetzt werden. Weil der Staat sie durchsetzt und solange der Staat sie durchsetzt, sind die Institutionen somit ein Grund für die besseren Arbeitsbedingungen in den westlichen Nationen. Das Outsourcing führt also einerseits zu günstigeren Produkten für die Verbraucher und größeren Umsätzen und Gewinnen bei den Unternehmen. Auf der anderen Seite werden die Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern akzeptiert, die in Europa zu diesem Zeitpunkt so gesellschaftlich nicht akzeptiert worden wären. Es kann also gesagt werden, dass zugunsten wirtschaftlichen Wachstums die Kosten, welche durch Sozial- und Arbeitsstandards in Europa bestanden, einfach geografisch umgangen wurden. Dieser Prozess lief bis in die Zweitausender Jahre hinein. Im Kapitalismus beschleunigt sich die Gesellschaft. Vorweg muss klargestellt werden, dass der Innovationszwang des Kapitalismus teilweise auch ein gesellschaftliches, mindestens aber ein wirtschaftliches Beschleunigungspotenzial darstellt. Dies liegt daran, dass eine kapitalistische Ökonomie Markt-, Wettbewerbs- und Wachstumszwängen unterliegt (vgl. Kettner/Vogel 2021). Bezogen auf die Notwendigkeit zur Beschleunigung ist besonders der Wettbewerbszwang, der Innovationen im Kapitalismus erfordert (Innovationszwang), relevant. Stetiger Gewinn (siehe dazu die drei Marktzwänge) unter Wettbewerbsbedingungen erfordert eine stetige Produktivitätssteigerung (Produktivitätszwang). Eine solche Produktivitätssteigerung braucht (kapitalintensiven) technologischen Fortschritt (Innovationszwang). Darüber hinaus erfordern stetige Gewinne bei steigenden kapitalintensiven Reinvestitionskosten Wirtschaftswachstum. Solches Wachstum kann dadurch entstehen, dass die Produktion erhöht wird, entweder durch eine Kapazitätsausweitung oder durch eine Innovation (vgl. Kettner/Vogel 2021). Das Ausweiten der Kapazitäten (z. B. in der Produktion) selbst könnte missverständlicherweise insofern als Beschleunigung verstanden werden, dass im gleichen Zeitraum mehr produziert und konsumiert würde. Ein solches Verständnis von Beschleunigung wäre aber wesentlich zu grob und ließe sich nahezu alleine durch das Wirtschaftswachstum darstellen.

Darüber hinaus könnte angenommen werden, dass eine kapitalistische Wirtschaft wächst, indem sie ausschließlich ihre Produktionskapazitäten erhöht und sich dabei nicht beschleunigt. Dies wäre jedoch erstens nicht wünschenswert, weil sie nicht in der Lage wäre, effektiver zu werden und weniger Ressourcen pro Verkaufsgut zu verbrauchen. Somit würde eine solche Gesellschaft viel schneller ihre natürlichen Grenzen der Ressourcen überschreiten. Andererseits gilt jedoch für jede kapitalistische Ökonomie der Innovationszwang. Daher ist die obige Annahme, ohne eine Möglichkeit realisiert zu werden, sowieso nicht zielführend. Im Kontext dieser Arbeit soll Beschleunigung bezogen auf die Wirtschaft viel mehr als zeitliche Änderungsrate der produzierten Einheiten bei vergleichbarem Ressourcenaufwand verstanden werden. Mit anderen Worten: Jede Innovation, die ihren Geltungsbereich effektiver gestaltet, wirkt beschleunigend. Dies ist dann der Fall, wenn die Innovation mehr Output und/oder höherwertigen Output bei gleichem Zeitaufwand ermöglicht. So hat sich die Fließbandarbeit vor allem durch sinkende Durchschnittskosten (Economies of Scale) und in der Konsequenz durch einen höheren Output durchgesetzt und gleichsam eine Beschleunigung verursacht (vgl. Voigt 2007). Dabei lohnt es sich, an dieser Stelle zwischen Innovationen zu unterscheiden, die ausschließlich die Produzenten betreffen und jenen, die auch im Alltag für den Konsumenten relevant sind (vgl. Hilt 2010). Beispielsweise wirken sich sowohl die Erfindung und Kommerzialisierung des Autos als auch die des Mobiltelefons beschleunigend auf Konsumenten und Produzenten aus. Damit ist die beschleunigende Wirkung dieser Innovationen auf die Gesellschaft eine andere als die der Fließbandarbeit. Jedoch hat jede Innovation zur Folge, dass für das gleiche Ergebnis weniger Zeit benötigt wird. Dies gilt für die Fließbandarbeit, das Auto, das Handy, ja sogar für den Kühlschrank. Durch die längere Haltbarkeit der Lebensmittel wird es möglich, seltener, aber dafür mehr auf einmal einzukaufen. Damit spart sich der Konsument Zeit, genauso wie der Manager, der seine E-Mails am Smartphone im Zug beantwortet oder seine organisatorischen Anrufe unterwegs zwischen zwei Terminen im Auto über die Freisprechanlage erledigt. Diese Zeit kann unter Wettbewerbsbedingungen nicht einfach ein privat genutztes Ersparnis bleiben, weil es einen großen Anreiz gibt, sie im Konkurrenzkampf als Vorteil auszunutzen. Die Individuen machen also mehr in dem gleichen Zeitraum; die Produktivität steigt und es entsteht Wachstum. Somit steigt der materielle Wohlstand in der Gesellschaft. Dieser gesamte Prozess ist für die Gesellschaft durchaus wünschenswert, wenn es dem Wohl der Individuen zugutekommt. Jedoch kann sich das System nicht dazu entscheiden, diese Entwicklung irgendwann anzuhalten, wenn der zusätzliche Zeitgewinn für die Individuen mehr wert ist als die daraus generierbare Produktivitätssteigerung. Hier kann das Gefangenendilemma einen guten 9 Erklärungsansatz bieten. Selbst wenn sich alle darauf einigen würden, die Zeit nicht für Produktivitätssteigerung zu nutzen, wäre der mögliche Gewinn und damit auch der Anreiz für jedes einzelne Individuum besonders groß, gegen diese Vereinbarung zu verstoßen. Hingegen ist die Notwendigkeit, die Zeit zu nutzen, wenn alle anderen dies auch tun, ebenfalls sehr groß. Jeder, der die Zeit nicht produktiv nutzt, nimmt einen Wettbewerbsnachteil in Kauf. Das heißt, es ist zu jedem Zeitpunkt gegen die individuellen Interessen der Marktteilnehmer, die Zeitersparnis als gewonnene Freizeit zu betrachten. Es ist im Kapitalismus somit nicht möglich, die Beschleunigung zu verhindern. Das ist nicht nur für die Wirtschaft prägend, sondern auch für die Gesellschaft. Hartmut Rosa formuliert dies zusammenfassend so:


„Die Protagonisten sehen sich tatsächlich nicht einer, sondern drei verschiedenen Arten von Beschleunigung gegenüber: Sie haben es zum Ersten mit technischer Beschleunigung zu tun, die sich, […], abstraktlogisch betrachtet entschleunigend auf das Tempo des Lebens auswirken sollte. Tatsächlich stellt aber die Beschleunigung des Lebenstempos eine zweite, angesichts der technischen Beschleunigung paradoxe Form sozialer Akzeleration dar, die, […], möglicherweise mit einer dritten, analytisch unabhängigen Erscheinungsweise sozialer Beschleunigung zusammenhängt: mit der Beschleunigung der sozialen und kulturellen Veränderungsraten“ (Rosa 2004: 15).


Des Weiteren gilt zu verstehen, dass sich das System zwar grundsätzlich beschleunigt, aber diese Beschleunigung erstens durch die jeweilige Ausgestaltung der Rahmenbedingungen unterschiedlich stark ausfallen kann und, dass es zweitens Beschleunigungswellen gibt. Es lohnt sich daher, von Beschleunigungswahrscheinlichkeiten zu sprechen. Wie bereits dargestellt wurde, ist der wesentliche Faktor für die Beschleunigung Innovationzentralisierung. Wenn Innovationen nicht nur im Speziellen (z. B. in einer bestimmten Branche), sondern auch im Allgemeinen wahrscheinlicher gemacht werden, bedeutet dies zugleich, dass die Beschleunigungswahrscheinlichkeit erhöht wird. Der Wettbewerb ist in diesem Kontext ein wesentlicher Faktor, der direkt die Innovationswahrscheinlichkeit und damit auch indirekt die Beschleunigungswahrscheinlichkeit beeinflusst. Sofern man von Monopolen und Oligopolen absieht, lässt sich sagen, dass bei einer geringen Wettbewerbsintensität die Wahrscheinlichkeit für eine starke Konkurrenz geringer ist als bei hoher Wettbewerbsintensität. Das heißt, dass die Qualität der einzelnen Wettbewerber auch mit der Anzahl der Teilnehmenden korreliert, weil sich die Teilnehmer immer nach oben orientieren müssen. Bei geringer Wettbewerbsintensität ist es also gut möglich, dass ein Marktteilnehmer bei gleicher Geschäftstätigkeit ohne große Anpassungen am Markt verbleiben kann. Bei enorm hoher Wettbewerbsintensität ist dies wesentlich unwahrscheinlicher. Es ist notwendig, sein Geschäftsmodell, wo auch immer es geht, zu optimieren, um nicht vom Markt verdrängt zu werden. Da das Engagement, effektiver zu werden, bei hoher Wettbewerbsintensität sowie starker Konkurrenz größer ist, ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass Innovationen entstehen. Es ist vergleichbar mit einem Sprinter, der 100 Meter laufen muss. Wenn die Konkurrenten nicht sehr wettbewerbsfähig sind, muss der Sprinter auch wenig leisten, um zu gewinnen. Welche Anziehsachen er trägt, oder ob er gelegentlich ungesund isst, spielt keine Rolle, wenn er trotzdem gut mit der Konkurrenz mithält. Ist die Konkurrenz jedoch sehr stark, dann wird der Sprinter darauf achten, möglichst enge Kleidung sowie geeignete Laufschuhe zu tragen und auch seine Ernährung effizient gestalten. Die Globalisierung hat im Wesentlichen eines getan: Handelsbarrieren beseitigt und Freihandel gefördert (vgl. Dieckheuer 2001: 33). Ein weltweiter Freihandel bedeutet im Prinzip die höchstmögliche Konkurrenz auf allen Stufen, weil sich jeder Unternehmer nicht mehr auf nationaler Ebene, sondern auf internationaler Ebene durchsetzen muss. Im übertragenen Sinne bedeutet dies in dem Beispiel, dass der Sprinter nicht mehr auf lokaler Ebene gegen die besten Sprinter in seiner Stadt antritt, sondern gegen die besten Sprinter der Welt. Dabei muss der Sprinter schneller werden, also die gleiche Strecke in weniger Zeit zurücklegen, um sein Ergebnis zu verbessern. Das Beispiel lässt sich also auf den Vergleich der Leistung von Sprintern bei den Olympischen Spielen mit der Leistung der Sprinter in einer beliebigen Stadt herunterbrechen. Die Sprinter der Olympischen Spiele sind leistungsfähiger, aber haben auch ein effektiveres Equipment. An diesem Beispiel kann veranschaulicht werden, dass die Globalisierung vor allem durch den hohen Wettbewerb, die Innovationswahrscheinlichkeit und in gleichem Maße auch die Beschleunigungswahrscheinlichkeit erhöht. Darüber hinaus wird hier von Beschleunigungswahrscheinlichkeit gesprochen, da die Beschleunigung häufig durch bestimmte Ereignisse (Innovationen) katalysiert und realisiert wird. Hohe Konkurrenz führt auf Dauer zu Innovationen. Der Zeitpunkt ist aber vorher nicht bestimmbar und von vielen individuellen Faktoren abhängig, deswegen muss von Wahrscheinlichkeit gesprochen werden. Es gibt bestimmte Ereignisse, die sich besonders beschleunigend auswirken und somit als eine Art Katalysator gesehen werden können. Beispiel hierfür wäre die zuvor erwähnte Fließbandarbeit, die die gesamte Produktionsweise revolutioniert hat und nicht bloß eine Branche (vgl. Hilt 2010). Die jüngste Form der Beschleunigung ist die Digitalisierung. Sie hat auf allen Ebenen der Gesellschaft eine beschleunigende Wirkung in Form des Smartphones, der sozialen Medien et cetera. Der Fokus dieser Arbeit liegt jedoch auf der Wirtschaft. Hier hat die Digitalisierung die Entstehung von Online-Unternehmen ermöglicht, die ihre Produkte über das Internet vertreiben (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2016). Die Digitalisierung hat die Wirtschaft auf eine neue Stufe der Geschwindigkeit gehoben, sodass inzwischen von einem Turbokapitalismus die Rede sein kann. Ein gutes Beispiel für einen solchen Turbokapitalismus findet man in der Textilindustrie. In der Industrie wird zwischen zwei intensiven Produktionen unterschieden. Bei Ersterer handelt es sich um die klassische Fast Fashion (beispielsweise Unternehmen wie Zara und H&M) und bei der Zweiten um die Super Fast Fashion-Industrie. Der große Unterschied findet sich hier in der beschleunigten Produktion von Waren. Fast Fashion Unternehmen wie Zara produzieren mehrere Hundert verschiedene Artikel pro Woche, wohingegen Super Fast Fashion Unternehmen mehrere Tausend Produkte pro Woche auf den Markt bringen können (vgl. Janker 2021). Durch die Beschleunigung ist die Distanz von Produktionsstandort und Absatzmarkt sogar wieder relevant geworden. Die Auswirkungen der Digitalisierung finden auf Vertriebs- sowie auf Produktionsebene statt und lassen sich auch in diese zwei Felder einteilen. Der Vertrieb findet bei digitalisierten Unternehmen nicht mehr in Filialen statt, sondern im Internet (vgl. Rabe 2022). Das erleichtert den Zugang, da der Kunde zu jeder Zeit die Ware bestellen kann und jedes Individuum von (fast) jedem Ort aus mit dem Smartphone die Möglichkeit besitzt, zu bestellen. Für den Kunden ist das bequemer und spart Zeit. Aber auch für das Unternehmen ist das ein Standortvorteil, weil dieser eine Standort (Internetseite) für jeden leicht erreichbar ist und Zeit spart. Der Zeitaufwand fällt geringer aus, weil, anstatt das Produkt an die Filialen zu schicken, einzusortieren sowie an den Kunden zu bringen, die Ware nur noch direkt an den Kunden geschickt werden muss. Zusätzlich kann bereits Ware angeboten werden, die noch gar nicht produziert ist, sodass die Anpassungsfähigkeit an den Markt wesentlich besser ist (vgl. Janker 2021). In diesem Bereich findet zunächst eine Zentralisierung statt, da es nicht mehr mehrere Filialen gibt, sondern nur noch diesen einen Standort, der vergleichsweise einfach zu organisieren ist. Andererseits findet eine Dezentralisierung statt, weil die Kunden das Produkt nicht mehr von einer zentralen Stelle (Filiale) abholen, sondern die Ware zu den jeweiligen (individuellen) Standorten der Kunden verschickt wird. Außerdem spart sich das Unternehmen die Miete für Filialen und Gehälter für Angestellte. Geld, das durchaus für Onlinewerbung ausgegeben werden kann, welche sogar gezielt bei potenziellen Kunden platziert werden kann. Dadurch wird es möglich, die Zielgruppe relativ präzise anzusprechen (vgl. Johnson 2008). Das Narrativ, welches diese Arbeit als Erklärung für die Entwicklung in Leicester anbietet, legt nahe, dass nach dem Outsourcing die Beschleunigung ein Insourcing der Produktionsstätten inklusive der Arbeitsbedingungen notwendig macht. Zuerst muss jedoch klargestellt werden, dass das Outsourcing im Zuge der Globalisierung ein Prozess war, der durch die Deregulierung seitens der Politik ermöglicht wurde. Dieser Prozess sollte nicht als rein wirtschaftlicher Mechanismus verstanden werden. Andernfalls wäre der Trugschluss möglich, dass eine (wirtschaftliche) Entschleunigung mit dem Outsourcing eingesetzt hat. Denn aufgrund von beispielsweise längeren Lieferketten könnte Outsourcing als entschleunigend geframt werden. Die Öffnung für den Freihandel hat es überhaupt erst ermöglicht, während der höhere Zeitaufwand noch nicht so stark als Wettbewerbsnachteil ins Gewicht fiel und durch die Einsparung von Kosten mehr als ausgeglichen werden konnte. Dass Outsourcing profitabel war, lag mitunter auch daran, dass die Geschwindigkeitsstufe zu diesem Zeitpunkt noch nicht so hoch war. Anders formuliert, hat sich das Outsourcing auf der damaligen Geschwindigkeitsstufe des Kapitalismus nicht entschleunigend ausgewirkt. Heute sähe dies anders aus. Mit der Digitalisierung wird auch dieser Zeitaspekt wichtiger, da es ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein kann, die Produktionsstätten wieder näher an den Absatzmarkt zu holen. Dadurch kann die Produktion schneller angepasst werden, es entstehen weniger Kosten durch den Transport der Waren und es wird Zeit eingespart. Im Bereich der Textilindustrie können neue Trends viel schneller adaptiert werden. Mit einem kleinen Verweis auf die folgende Fallanalyse kann gesagt werden, dass auch durch das ‚Insourcing' der Arbeitskräfte und der Lohnstrukturen diese Standortvorteile so schwer wiegen. Wie gezeigt, findet die Beschleunigung allein bei den Produzenten schon auf Vertriebs- & Produktionsebene statt und weist durch die neuen Arbeitsverhältnisse bei den Produktionsstätten zugleich enorme soziale Implikationen auf. Leicester ist dahingehend ein Prototyp, weil seine Geschichte die Entwicklung des Kapitalismus gut abbildet, besonders aber die letzte Stufe der Beschleunigung.


2.2 Die Historie: Leicester Clothes the World

Leicesters Geschichte reicht zurück bis in die Eisenzeit. Der näher betrachtete Zeitraum umfasst die Spanne von 1790 bis 2007. Im Folgenden wird die Geschichte der Stadt und besonders der Textilindustrie grob dargestellt.


Geschichte Anfang bis 1960

Leicester wurde verhältnismäßig früh zu einem der Textilzentren Englands. Der in den 1790er Jahren erbaute Navigationskanal in Leicester ermöglichte der Stadt den günstigen Transport von Rohstoffen und Waren. Das heute unter dem Namen Friars Mill bekannte Industriegebiet wurde 1794 genau deshalb am Kanal gebaut und zählte ab den 1820er zu einem der Zentren für die Kammgarnspinnerei in Großbritannien. Eine frühe Spezialisierung auf die Textilindustrie und den Maschinenbau ließen Leicester zu einer wohlhabenden Stadt wachsen. Große Unternehmen siedelten sich im Stadtzentrum erst nach 1840 an. Davor wurden viele Arbeiten in der Branche durch die Stickerinnen zu Hause erledigt. Erst nach der Kommission verbesserten sich die Bedingungen durch neue Arbeitnehmergesetze, wie eine Rente, bezahlten Urlaub und kürzere Arbeitszeiten. Zusätzlich wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts viel in den sozialen Wohnungsbau investiert, um den Zustrom von den ländlichen Gegenden bewältigen zu können. Dies führte zum Aufkommen von Reihenhausgemeinschaften um die Fabriken herum. Die autonomen Gemeinschaften befanden sich eigene Schulen, Geschäfte, religiöse Gebäude und Fabriken. Wie in kleinen Gemeinden kam es in den größeren Unternehmen zur Gründung von Sozial-Klubs (vgl. Leicester City Council 2022). Damit wurde das Unternehmen nicht nur zum Raum der Berufstätigkeit, sondern auch zum Ort sozialer Interaktion. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zur Abwanderung der Unternehmen aus dem Stadtzentrum in die nahegelegenen Industriegebiete. Die frei gewordenen Gebäude wurden zu Wohnungen und Büroräumen umgebaut. Teilweise befinden sich auch heute noch Betriebe in den alten Hallen (vgl. Abrahamson 1953).


Geschichte 1960 bis 1990

Nach dem Krieg kam es in Großbritannien zu einem durch die Textilindustrie selbst geschaffenen kleineren Boom. Durch massive Investitionen in technische und systematische Bereiche modernisiert sich die Industrie im ganzen Land. Eine Erholung nach der im Zweiten Weltkriege eingeführten Planwirtschaft blieb jedoch in der Baumwollindustrie aus, welche noch Jahre später nicht auf denselben Beschäftigungsgrad kommt. In den 1960er Jahren kam es dann zur ersten Abwanderung der Industrie in das neue Wachstumszentrum Japan. Eine zweite, während der Globalisierung verstärkte Umsiedlungswelle führte in den 1970er bis 1980er Jahre in die aufstrebenden Volkswirtschaften Hongkong, Taiwan und Südkorea, wobei sich der Trend Ende der 1980er und 1990er fortsetzte. Zuerst fand eine Produktionsverlagerung in andere Billiglohnländer wie China, Indien und Sri Lanka statt, dann folgten Südasien und Lateinamerika (vgl. Weidenhausen 2010). Leicester erlebt besonders zwischen den 1970er und 1990er Jahren signifikante Veränderungen. Der Zusammenbruch ein Produktionsunternehmen nach dem anderen lässt die wohlhabende Stadt ihren Industriestatus einbüßen (siehe Anhang Interview Hammer). Gleichzeitig erlebt Leicester eine Abwanderung der vorher dort ansässigen Arbeiter und einen großen Migrantenzustrom aus dem Commonwealth und Südasien, den es nicht wie die großen Städte in Großbritannien erlebt hatte (vgl. Leicester City Council 2022).


Geschichte 1990 – 2005/7

Ende der 1980er Jahre waren viele der asiatischen Arbeitnehmer in der Strumpf- und Stickwarenbranche tätig. Dabei handelte es sich meistens um kleine Betriebe mit unter einer Million Pfund Sterling Umsatz pro Jahr. Die Unternehmen waren häufig auf 14 Familienarbeitskräfte angewiesen und siedelten sich in den alten Fabriken um das Stadtzentrum an. Dies stellte in der Geschichte von Leicester einen bis 2002 stattfindenden Aufschwung dar, welcher das Absterben der großen Produktionsunternehmen im Maschinenbau, der Textilwirtschaft und der Schuhindustrie abfedern, aber nicht verhindern konnte (vgl. MK&G 2015). Die starke Expansion der Unternehmen stellte für die Behörden ein großes Problem dar, da es schlichtweg zu wenig Inspekteure für ein Audit gab (vgl. Leicester City Council 2022).


2.3 Trendwende 2007

Die Strukturen der Textilindustrie wurden weltweit durch die industrielle Revolution geprägt, welche eine schnellere und damit auch größere Produktion ermöglicht hat. Dies hat sich im 20. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Fast Fashion-Industrie noch weiter verstärkt. Dabei wurden die ersten Unternehmen in den 1960er und 1970er Jahren gegründet, welche jedoch erst zum Ende des 20. Jahrhunderts größere Bekanntheit erlangten (vgl. Greenpeace 2017). Fast Fashion ist ein Produktionsmodell der Textilindustrie, welches durch ein Outsourcing der Produktion in andere, zunächst außerhalb der Europäischen Union liegende Länder eine günstigere und schnellere Produktion der Kleidung ermöglicht und dadurch größere Mengen an unterschiedlichen Kleidungsstücken auf den Markt bringen kann. Der Begriff der Fast Fashion wurde durch Marken wie H&M, Primark und TopShop geprägt, welche sich durch ein stark wechselndes Angebot ihres Sortiments, sowie eine meist geringere Qualität ihrer Ware auszeichnen. Während traditionelle Marken in der Regel zwei bis vier Kollektionen pro Jahr veröffentlichen, bieten einige Fast Fashion-Firmen mehrmals im Monat eine neue Kollektion an. Diese sind durch die schnelle Produktion dazu in der Lage, auf die wechselnde Nachfrage des Marktes schneller zu reagieren und ihr Angebot dementsprechend anzupassen. Günstigere Kleidung und ein wachsender Konsum der Gesellschaft kurbelten das Wachstum der Fast Fashion-Industrie weiter an. Durch das Outsourcing der Unternehmen in Länder wie China, Bangladesch oder Indonesien wurde diese schnellere und kostengünstigere Produktion möglich. Dabei wurden die Kosten verursachenden europäischen Arbeitsstandards einfach geografisch umgangen. Die Arbeiterinnen erhalten größtenteils keinen Arbeitsvertrag, sehr wenig bis keinen Lohn und arbeiten unter schlechten, gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen mit sehr langen Arbeitszeiten. Seit 2007 ist jedoch eine Kehrtwende zu beobachten. Die Fast Fashion-Industrie hat begonnen, einen wachsenden Teil der Textilien in Europa zu produzieren und somit die Produktion aus dem Ausland zurück nach Europa zu verlagern. Dieses Phänomen kommt vor allem in der Super Fast Fashion vor, da die Dauer der Produktion durch das Wegfallen der Lieferwege noch stärker verkürzt wird. Großbritannien und insbesondere Leicester sind bei dieser Entwicklung 15 in den Vordergrund getreten. Für die britischen Super Fast Fashion-Firmen eröffneten nach und nach Subunternehmen Fabriken innerhalb von Großbritannien. Die Super Fast Fashion-Firmen konzentrierten sich dabei fast ausschließlich auf den Onlinehandel, der den Verkauf noch weiter beschleunigte. Dabei handelt es sich in der Regel um kleine Betriebe, welche sich sowohl strukturell als auch materiell in einem miserablen Zustand befinden. Es herrschen ähnliche Arbeitsbedingungen wie in den vorherigen Betrieben außerhalb von Europa, außerdem erhalten die Arbeiterinnen keinen Mindestlohn und haben so gut wie keine Arbeitnehmerrechte. Die Arbeitsstandards werden nicht mehr geografisch umgangen, sondern einfach in ihrem Geltungsbereich missachtet. Für die Unternehmen der Super Fast Fashion-Industrie hat die Produktion im eigenen Land diverse Vorteile, welche die Kehrtwende begünstigen. Zum einen fallen die Lieferwege der Materialien ins Ausland, sowie die Lieferwege der produzierten Kleidung nach Europa weg, welches Geld und Zeit spart. Alleine die kürzeren Lieferketten ermöglichen eine Zeitersparnis von circa sechs Wochen (vgl. Schulz 2020). Darüber hinaus führt der Standort zu einer weiter verkürzten Produktionszeit, wodurch es möglich wird, das Angebot zu vergrößern und schneller auf den Markt zu reagieren. Die Produkte können direkt nach dem Design und noch vor der Produktion im Onlineshop angeboten werden. Das größere Angebot ist auch daher notwendig, weil auf Verdacht produziert wird. Rund 30 Prozent der Mode treffen nicht den Geschmack der Nachfrager und werden daher verbrannt (vgl. Ehrenstein 2022). Außerdem sind keine Absprachen mit den produzierenden Ländern mehr nötig, was eine Kontrolle über die Betriebe und den strukturellen Aufbau des Unternehmens erleichtert. Die Arbeiterinnen kommen dennoch meistens aus dem Ausland. Dabei werden sie häufig mit falschen Versprechungen über die Arbeitsbedingungen gezielt ins Land geholt und in der Nähe der Fabriken untergebracht. Aufgrund verschiedener Bedingungen sind sie häufig nicht in der Lage, ihren Arbeitsplatz zu wechseln und sind somit an die Textilindustrie gebunden.


2.4 Boohoo und die Entwicklung seit 2020

Das Modeunternehmen Boohoo wurde im Jahr 2006 von den Geschäftsleuten Mahmud Kamani und Carol Kane gegründet. Nachdem das Label in den ersten Jahren seiner Tätigkeit keinen nennenswerten Bekanntheitsgrad erreicht hatte, erkannten Angestellte der Marketingabteilung im Jahr 2012 die Wirkung von Social Media. Kurzerhand wurde ein Social-Media-Manager eingestellt, welcher eine Vielzahl an Mitarbeitern dazu ermutigte, mit eigenen Momentaufnahmen und Nachrichten dem Social-Media-Team unter die Arme zu greifen. Mittlerweile besteht die Social-Media-Strategie des Unternehmens allerdings aus viel mehr als dem Posten von vermeintlich ungestellten, nahbar wirkenden Bildern. Unter anderem werden vermehrt Influencer für Kooperationen kontaktiert, welche in knappen Clips ihre neusten 16 Errungenschaften von Boohoo vorstellen und die oftmals junge Zielgruppe zum Kauf der neuesten Trendstücke anregen sollen. Aktuell hat das Unternehmen rund 12,9 Millionen Follower auf Instagram und spricht vor allem junge Menschen durch auf sie ästhetisch wirkende Momentaufnahmen, eine bunte Aufmachung und kurze Clips oder Posts zu Thematiken wie Selbstwert, Selbstvertrauen und einem guten Körpergefühl an. Boohoo präsentiert sich gegenüber seiner 16- bis 24-jährigen Hauptzielgruppe mit Emojis, Memes und jugendlichem Slang als Unternehmen am Puls der Zeit, was einen großen Einfluss auf die Bekanntheit des Labels hat. Nach dem Motto „Arbeite hart, habe Spaß – kein Drama“ (Schulz 2020) verkörpert die Brand die „Work hard, play hard”-Mentalität und Wünsche nach Erfolg der jungen Generation (vgl. Kafi 2017). Der Schritt an die Börse erfolgte im Jahr 2014, wo das Unternehmen mit 560 Millionen Pfund Sterling bewertet wird. Rund drei Jahre später wird der Wert des Betriebs auf 2 Milliarden Pfund Sterling beziffert – der Aktienwert stieg um 1,4 Milliarden Pfund an. Zahlreiche neue Kunden interessierten sich für das Label, was zwischen 2016 und 2017 zu einer Steigerung der Konsumentenzahl um 29 Prozent führte. Im Jahr 2017 zählte das Unternehmen 5,9 Millionen Kundinnen und Kunden, während die Boohoo-App von 2,2 Millionen Menschen heruntergeladen wurde (vgl. Stenzel 2021). Seit 2016 ist der weltweite Umsatz des Unternehmens (mit Marken wie Boohoo, Nasty Gal und PrettyLittleThing) kontinuierlich angestiegen und belief sich im Geschäftsjahr 2022, das am 28. Februar endete, auf circa 1,98 Milliarden Pfund Sterling (vgl. Statista 2022). Ein wesentlicher Grund für den zunehmenden Erfolg des Unternehmens ist der Umgang mit der Coronapandemie. Als es in verschiedensten Ländern zum Lockdown kam und Bekleidungsgeschäfte temporär schließen mussten, führte dies zu einem regelrechten Boom im Onlinehandel. Zahlreiche Menschen arbeiteten im Homeoffice, Freizeitaktivitäten blieben aus und Ausgaben, welche beispielsweise durch das Besuchen von Clubs und Bars entstehen, fielen weg. Vor allem junge Menschen verbrachten dementsprechend mehr Zeit auf den sozialen Medien und den Onlineshops zahlreicher Modemarken (vgl. Rusche 2021). Das Modelabel Boohoo – welches ausschließlich über den Onlinehandel agiert – zieht aus dieser Situation seine Vorteile. Mit hohen Rabattcodes von über 70 Prozent auf das gesamte Sortiment und 50 Prozent auf 500 unterschiedliche Kleider sollte die vor allem junge Zielgruppe verstärkt zum Kauf angeregt werden, um Platz für das neue, lockdownkonforme Angebot zu schaffen. Demnach änderte das Unternehmen sein Angebot innerhalb kürzester Zeit von Partybekleidung zu gemütlicher, sportlicher Ware. Diese schnelle Anpassung wurde auch dadurch ermöglicht, dass Kleidungsstücke nach ihrem Design angeboten werden können, bevor sie überhaupt produziert wurden. Mit dieser Strategie konnte die Firma aus Großbritannien ihre Verkäufe um 75 Prozent steigern. Das reine Online-Geschäftsmodell führt außerdem dazu, dass für Boohoo keine Kosten für das Betreiben von stationären Bekleidungsgeschäften anfallen. Des Weiteren war das Unternehmen nicht von den Lockdownmaßnahmen betroffen und konnte sein Tagesgeschäft ohne weitreichende Einschränkungen weiterführen. Darüber hinaus werden mehr als die Hälfte der Kleidungsstücke in Großbritannien produziert, insbesondere in London, Manchester und Leicester (vgl. O’Connor 2018). Boohoo ist im Jahr 2020 Abnehmer von 75 bis 80 Prozent der in Leicester hergestellten Textilien. Zudem bezieht das Label 40 Prozent seiner Textilien aus dem Vereinigten Königreich. Der mehrheitliche Teil davon stammt aus den 700 Textilfabriken in Leicester. Die zahlreichen Fertigungsstätten in Großbritannien ermöglichen es dem Label mit Sitz in Manchester, seine Lieferkette für die Konsumentinnen und Konsumenten aus westlichen Ländern stark zu verkürzen. Eine weitere Rolle spielen zudem die Assoziationen, die die oftmals junge Zielgruppe mit dem Herstellungsland Großbritannien vornimmt. Vermerkt mit dem Label „Made in the UK” vermitteln eine Vielzahl der über 30.000 Super Fast Fashion-Produkte der Firma Boohoo den oftmals jungen Konsumentinnen und Käufern auf den ersten Gedanken ein gegenläufiges Bild zu den Bedingungen, wie man sie aus Textilfabriken in Ländern wie Bangladesch oder Pakistan kennt. Arbeitnehmerschutz, soziale Absicherung und ein Mindestlohn würden in westlichen Ländern wie Großbritannien wohl feststehen und auch dementsprechend kontrolliert werden (vgl. Jordan 2020). Ein sich der Realität annäherndes Bild der Zustände in der Textilherstellung in Leicester vermittelte jedoch die Dokumentation „Dispatches” aus dem Jahr 2017. In dieser wurden die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, sowie die Bezahlung, welche deutlich unter dem damaligen nationalen Mindestlohn lag, kritisiert. Während Unternehmen wie ASOS den Bezug von Textilien aus den betroffenen Fabriken in Leicester einstellten, wies Boohoo die Verantwortung von sich und gab an, dass die Arbeit an Subunternehmen vergeben wurde und das Modelabel dementsprechend keine Kenntnisse über die Zustände vor Ort habe. Das Unternehmen bedient sich in der Produktion von Textilien dem Modell des Subcontracting, welches wir hier kurz anreißen und im Punkt „Boohoo Review” genauer erläutern werden. Wenn eine Marke keine Übersicht hat, welche Subunternehmen für sie arbeiten, kann die Brand auch nicht für die Einhaltung von Arbeitsbestimmungen garantieren – so die Argumentation seitens des Modeunternehmens. Subcontracting befreit den Auftraggeber vertraglich von der Verantwortung über die Zustände in den Partnerunternehmen. Die Zusammenarbeit mit den Fabriken wurde fortgesetzt. Die öffentliche Wahrnehmung des wirtschaftlich erfolgreichen, heimischen Unternehmens, das es in Pandemiezeiten schafft, seinen Umsatz immens zu steigern, wurde im Jahr 2020 durch das Publik werden der Zustände in Leicester getrübt. Die Stadt in den englischen East Midlands wies hohe Infektionsraten auf, was dazu führte, dass Gesundheitsminister Matt Hancock ankündigte, dass Leicester von den geplanten, weitreichenden Öffnungen vorerst ausgeschlossen werden würde. Für diese Entwicklung taten sich zunächst verschiedenste Gründe auf, wie Versäumnisse der Zentralregierung, lokalen Behörden notwendige Daten zur Verfügung zu stellen, überbelegte Wohnungen und Probleme in der Kommunikation mit Mitgliedern der Gujarati-Gemeinde, welche nur ein begrenztes Verständnis der englischen Sprache, sowie keinen Zugang zu Smartphones und Fernsehen aufwiesen. In der weiteren Beobachtung trat jedoch ein weiterer Faktor in Erscheinung: Das Coronavirus schien sich in einer Vielzahl von Fabriken und Werkstätten in Leicester verbreitet zu haben – von denen einige im Zuge der Coronapandemie nie geschlossen wurden (vgl. Bland/Kelly 2020). Auf die detaillierten Umstände kommen wir im Punkt „Arbeitsbedingungen” zu sprechen. Die steigende Produktion in den ohnehin schon heruntergekommen kleinen Fabriken führte dazu, dass Unternehmen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht ermöglichten, die geltenden Coronaregelungen einzuhalten. Es gab vor Ort viele Menschen und Betriebe, die arbeiten mussten, weil ihr „Platz in der Warenkette” sie dazu gezwungen hat. Ende Juni 2020 veröffentlichte die Arbeitnehmerrechtsgruppe „Labour behind the label” schließlich einen Bericht, in dem festgestellt wurde, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Fabriken keine Chance hatten, sich an soziale Distanzierung zu halten und trotz einer Erkrankung mit dem Coronavirus zur Arbeit gezwungen wurden – unter der Androhung, andernfalls ihren Job zu verlieren. Die Gruppierung schreibt hierzu in dem Bericht:


„Boohoo has been operating throughout the crisis and has stopped responding to our requests for details of their measures to protect worker. [...] Labour Behind the Label has repeatedly called on Boohoo to improve working conditions in their supply chain. Despite some engagement with Boohoo on these topics, they have failed to take meaningful action” (Labour behind the label 2020: 3).


Des Weiteren kritisiert die Gruppierung den Umgang der Regierung mit Super Fast Fashion, sowie die Industrie im Allgemeinen: „The government must recognise that the situation is not only the result of some unscrupulous suppliers but also an inevitable outcome of the current fast fashion business model and the lack of regulation of pricing and purchasing practice” und veröffentlichte weitreichende Forderungen, um die Situation der Arbeitenden zu verbessern. Die Produktion des Unternehmens Boohoo solle demnach mit sofortiger Wirkung von der Regierung Großbritanniens suspendiert werden, die textilherstellenden Fabriken untersucht und mehr Transparenz und Verantwortlichkeiten seitens des auftraggebenden Unternehmens innerhalb der Lieferketten geschaffen werden (vgl. Labour behind the label 2020). Boohoo erklärte kurzerhand erneut, dass es keine Kenntnisse über die Zustände in den Fabriken gehabt habe und verleugnete jegliche Mitverantwortung. Der damalige Vorsitzende des Environmental Audit Committee, Philip Dunne, kritisierte das Unternehmen daraufhin stark. Der Politiker erklärte, dass er geschockt und entsetzt über die erhobenen Vorwürfe sei und eine unabhängige Überprüfung der Lieferkette in die Wege geleitet habe. Weiterführend bemängelte er unzureichende Konsequenzen für Boohoo in der Vergangenheit:


„It is incredible that over a year since the committee highlighted illegal working practices in its supply chain, Boohoo has publicly denied any knowledge of what has been happening for years [...]. It is shameful that it took a pandemic and the ensuing outrage about working practices in their supply chain for Boohoo finally to be taken to task for turning a blind eye” (Butler 2020).


Er wies außerdem darauf hin, dass Boohoo seine Zusicherung, der Ethical Trading Initiative (ETI) beizutreten, einer Einrichtung, welche Einzelhändler, Gewerkschaften und Kampagnengruppen vereint, mit dem Ziel, die Vorgehensweisen in den Lieferketten zu optimieren, nicht erfüllt habe (vgl. Butler 2020). ETI-Mitgliedsmarken wie New Look, River Island und ASOS haben zu diesem Zeitpunkt bereits vor einigen Jahren ein kriminaltechnisches Prüfsystem für britische Zulieferer (Fast Forward) eingerichtet und die Zahl der Fabriken in Leicester, mit denen sie zusammenarbeiten, im Zuge der Aufdeckung der Arbeitsbedingungen, von etwa 130 auf 30 reduziert (vgl. O’Connor 2018). Die zahlreichen Anschuldigungen, sowie die damit einhergehende mediale und politische Aufmerksamkeit, führten zu einem massiven Kurseinbruch der Aktien des Unternehmens Boohoo. Seit Beginn der Zurechtweisungen im Jahr 2020 verzeichneten Beobachter einen Kursrückgang von über 46 Prozent. Als Konsequenz reagierte Boohoo in 2021 erneut mit einem umfassenden Statement.


2.5 Arbeits- und Lebensumstände in Leicester

Das folgende Unterkapitel befasst sich mit den Zuständen rund um die Fabriken in Leicester und lässt sich inhaltlich grob in die Arbeitsbedingungen der Angestellten sowie in weitere Lebensumstände einteilen. 20 Ein wesentlicher Punkt, der genannt werden kann, um die Zustände in Leicester zu veranschaulichen, ist die Art und die Höhe der Bezahlung. Während der Mindestlohn (National Minimum Wage) in Großbritannien bereits 2015 bei 6,50 Pfund Sterling lag, wurden die Arbeiter durchschnittlich mit einem Lohn von drei Pfund Sterling ausgezahlt (vgl. Hammer et al. 2015). Inzwischen liegt der Mindestlohn in England bei 9,50 Pfund Sterling (vgl. Arbeitsrechte.de 2022), während direkte Berichte von Arbeitern aus Leicester nahelegen, dass sich ihre Bezahlung kaum verbessert hat. Demzufolge berichtet ein Arbeiter in einem Interview im Jahr 2022, dass er vier Pfund Sterling verdiene (vgl. Labour behind the label 2022) und ein Investigativbericht der Sunday Times aus dem Jahr 2020 legt Arbeitsangebote bei einer Bezahlung von 3,50 Pfund Sterling dar (vgl. Shah 2020). Zusätzlich ist die Bezahlung nicht tariflich gebunden, sondern individuell und richtet sich häufig nach der Herkunft der Arbeitskräfte. Meist wird den Arbeitskräften ein Lohn versprochen, der in ihrem Heimatland verhältnismäßig hoch ist, aber in England durch höhere Lebenshaltungskosten gering ist. Urlaubs- oder Krankengeld wird ebenfalls nicht bezahlt (vgl. O'Connor 2018). Da die Arbeitsverträge häufig informell sind und die Löhne auch in bar ausgezahlt werden, ist die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer sehr schlecht (vgl. Hammer et al. 2015). Dies ermöglicht, dass die Arbeitgeber (einfach) die Arbeitszeiten fälschen, wodurch die Lohnabrechnungen so aussehen, als wäre der Mindestlohn eingehalten worden (vgl. O'Connor 2018). Arbeitgeber fordern oftmals die Arbeitnehmenden dazu auf, Sozialleistungen zu beziehen, um auf die Höhe des Mindestlohns zu gelangen: „Employers often consider welfare benefits as a ‘wage component’ and force workers to supplement wages below the NMW [National Minimum Wage] with welfare benefits” (Hammer et al. 2015: 9). Außerdem nutzen die Vorgesetzten die Schwäche der Arbeiterinnen aus. Dadurch kommt es dazu, dass teilweise keine Pausen oder Toilettengänge gewährt werden. Hammer et al. schreiben dazu:


„Violations regarding employment contracts are compounded by working conditions that exploit the various vulnerabilities of different groups of workers. This ranges from work practices that result in: health problems, inadequate health and safety standards, verbal abuse, bullying, threats and humiliation, and the lack of toilet breaks, among others” (Hammer et al. 2015: 9).


Zusätzlich sind die Arbeitszeiten häufig nicht geplant, sondern regelmäßig spontan verordnet, wenn die Produzenten neue Aufträge erhalten (siehe Anhang Interview Hammer). Dabei kommt es nicht selten zu Schichten, welche bis zu 12 Stunden andauern. Häufig werden die Angestellten unter Druck gesetzt, damit sie unter diesen Bedingungen weiterarbeiten. Beispielsweise berichtet ein Arbeiter aus Leicester, dass ihm, als er seinen Vorgesetzten auf den Mindestlohn ansprach, mitgeteilt wurde, er könnte den nächsten Monat keine Arbeit mehr haben, wenn die Brand keine Aufträge mehr bekäme (vgl. Labour behind the label 2022). Lange wusste dieser Arbeiter gar nicht, dass ihm ein Mindestlohn zusteht und welche weiteren Arbeitsrechte für ihn gelten, weil er aus Indien nach England emigriert ist. Zu einem großen Prozentsatz teilen Arbeiter das Problem, dass sie nicht über den Mindestlohn und andere Arbeitsstandards Bescheid wissen (vgl. Hammer et al. 2015). Dabei findet die Arbeit in einem Arbeitsumfeld statt, in dem Sicherheitsvorkehrungen und gesundheitliche Vorsichtsmaßnahmen wenig Platz haben. Beispielsweise sind die Maschinen sehr alt oder die Feuerleitern blockiert. Die Gebäude sind teilweise aus dem 19. Jahrhundert, mit zerbrochenen Fensterscheiben und schmutzig (vgl. O'Connor 2018). Während der Corona-Lockdowns kam es zu einer paradoxen Situation, die die Zustände in den Fabriken der Zulieferer gut repräsentiert. Mit dem Lockdown stieg die Nachfrage nach Kleidung von Zulieferern, unter anderem auch deswegen, weil die stationären Geschäfte geschlossen hatten. Dadurch arbeiteten die Fabriken mit maximaler Auslastung, ohne die Corona-Schutzmaßnahmen einzuhalten (vgl. Labour behind the label 2020). Die Gang Masters Licence Authority, welche als Einzige für die Überprüfung der Arbeitsstandards auch das Recht hat, ohne direkte Erlaubnis der Betreiber in die Fabriken zu gehen, hat ihre Aktivität hingegen stark zurückgefahren, um ihre Arbeiter vor Infektionen zu schützen (siehe Anhang Interview Hammer). Das Gleiche gilt für die HSE (Gesundheits- und Sicherheitsexekutive), welche auch alle ihre proaktiven Inspektionen eingestellt hatte (vgl. Labour behind the label 2020). Da die Fabriken in der Regel statistisch ohnehin nur einmal in 500 Jahren kontrolliert werden, gibt es ohnehin kaum einen Anreiz, sich an die geltenden Standards zu halten (vgl. O'Connor 2018). Mit dem Ausbruch der Coronapandemie hat sich dies weiter verschlechtert. Es gibt sogar Berichte darüber, dass die Arbeiterinnen dazu genötigt wurden, mit einem positiven Coronatest weiterzuarbeiten (vgl. Labour behind the label 2020). Dabei bilden die Arbeitenden teilweise Fahrgruppen, sofern einige ein Auto besitzen, wodurch die Erkrankungsgefahr zusätzlich steigt. Die Arbeiter sind meist nicht in England geboren und kommen aus prekären Verhältnissen. Auch wenn sie nicht in England geboren sind, besitzen circa 50 Prozent der Arbeiterinnen einen englischen Pass, so Hammer (siehe Anhang Interview Hammer). Einem Teil der anderen Hälfte fehlt es an einer Aufenthaltsgenehmigung, wodurch sie praktisch keine ihrer Rechte geltend machen können. Sobald sie sich an öffentliche Stellen wenden, würde auffallen, dass sie keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Tatsächlich richtet sich auch die Bezahlung und Behandlung der Arbeitskräfte nach solchen Faktoren (vgl. Labour behind the label Blog 2020):


„Finally, migrants on student or visitor visas as well as undocumented migrants who no longer have the legal right to work and remain in the UK constitute the most vulnerable groups. These groups often work for even lower or no wages, work night shifts, and are dismissed at will, amongst other potential issues” (Hammer et al. 2015: 9).


Die Frage, warum die Arbeiterinnen nicht einen anderen Arbeitsplatz aufsuchen, kann anhand folgender Gründe beantwortet werden: Erstens sprechen sie zu schlecht Englisch, um einen anderen Job annehmen zu können, zweitens haben sie oft care responsibilities, wofür sie Flexibilität bei ihren Arbeitszeiten und kurze Arbeitswege benötigen (vgl. CrimeStoppers 2020). Drittens bewerben sich pro Stelle 200 - 300 Menschen auf andere Jobs ohne berufliche Qualifikationen. Dies bedeutet einen hohen Konkurrenzdruck. Viertens weisen andere Berufe eine hohe Einstiegsbarriere auf, wie beispielsweise die Notwendigkeit eines Fortbewegungsmittels oder einen höheren Abschluss. Fünftens werden Migranten häufig von der Fast Fashion-Industrie direkt im Ausland angeworben und an einen Arbeitsplatz in der Textilindustrie vermittelt. In Erwartung höherer Löhne und eines besseren Lebens kommen sie nach England. Doch die Lebensrealität vor Ort ist eine andere: „Soon reality hit me as I started to realise most of my money was going in paying tax, rent, bills and only very little was left for me which I used for clothes, food, medicines, and other necessities (Labour behind the label 2022). Sechstens kommen viele Migranten nicht direkt aus ihrem Heimatland nach Großbritannien, sondern machen einen Umweg über Uganda. Dieser ermöglicht es ihnen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden und eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Flüchtlinge des Idi Amin- Regimes werden hauptsächlich in Leicester untergebracht. In Kombination mit sehr starkem Rassismus auf dem herkömmlichen Arbeitsmarkt bedeutet dies, dass die Arbeiterinnen häufig nur in die Textilindustrie gehen können (siehe Anhang Interview Hammer). Aufgrund des geringen Lohns und der notwendig höheren Flexibilität sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dazu gezwungen, in den Gegenden, um die Fabrik zu wohnen. Die hohe Flexibilität ist wichtig, für die Arbeitnehmerinnen, aber auch die Arbeitgeber erwarten (siehe Anhang Interview Hammer), dass sie bei neuen Auftragseingängen einen Teil der Angestellten direkt zur Arbeit rufen können (vgl. O'Connor 2018). Die Belastung der Arbeitnehmerinnen entsteht nicht nur durch die Arbeit und ihre Bedingungen. Wenn sie, entgegen ihren Erwartungen, nichts von dem Lohn zurücklegen bzw. zu ihren Familien schicken können, kann es dazu kommen, dass die familiären Beziehungen darunter stark leiden (vgl. Labour behind the label 2022). Die jeweiligen individuellen Schicksale stehen ebenfalls hinter jedem einzelnen Arbeitenden in der Textilindustrie und hängen nicht selten direkt damit zusammen.


2.6 Reaktionen aus Politik und Gewerkschaften

Obwohl die COVID-19 Pandemie den Fokus auf die (Super) Fast Fashion-Industrie in Großbritannien bedeutend vergrößert hat, ist das Wissen um die dort herrschenden Arbeitsbedingungen dennoch nicht neu. Der Report der Aktionsgruppe Labour behind the label beschreibt die Arbeitsbedingungen der letzten Jahre, die nicht an das Pandemiegeschehen angepasst wurden (vgl. Labour behind the label 2020). Trotz der hohen Krankheitsfälle und Ansteckungsgefahr wurde die Arbeit weiter ohne gesundheitliche Sicherheitsmaßnahmen verrichtet, Arbeiter mussten teilweise trotz eines positiven Corona-Tests weiterarbeiten. Diese Umstände haben die Dringlichkeit eines Einschreitens in die (Super) Fast Fashion-Industrie weiter verdeutlicht, dennoch waren die Bedingungen bereits vorher bekannt. Seit Jahren erscheinen fortlaufend Artikel und Berichte zu den herrschenden Arbeitsbedingungen, der umweltschädlichen Produktion der Fast Fashion-Industrie und der minderwertigen Kleidung, welche größtenteils aus Plastik besteht (vgl Hughes 2021). Trotz der Aufmerksamkeit geht die britische Regierung laut Kritikern nicht aktiv gegen die Unternehmen vor (vgl. Labour behind the label 2020). Zwar äußern sich Politiker immer wieder zu der Textilindustrie in Großbritannien, insbesondere nach Skandalen, wie dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch, welche die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erwecken, und versprechen eine Verbesserung der Umstände. Dennoch können die Unternehmen ihre Arbeit meist ungehindert fortführen. Grundsätzlich bietet Großbritannien durch seine neoliberale Ökonomie zwar formal Untergrenzen für Standards, doch da sie nicht ausreichend durchgesetzt werden, ist das Ende nach unten in der Praxis offen (siehe Anhang Interview Hammer). Die heutigen ökonomischen Strukturen sind unter anderem ein Ergebnis der Politik von Margaret Thatcher (vgl. GPA o.D.), welche sich in ihrer Laufbahn stark für die Liberalisierung des Landes einsetzte und, unter anderem durch eine Einschränkung der Gewerkschaftsrechte, die Konkurrenzfähigkeit Großbritanniens auf dem globalen Wirtschaftsmarkt steigern wollte. Die jahrelange Deregulierungspolitik macht sich heute noch bemerkbar, ebenfalls in der Textilindustrie. Dabei steigt die Unsicherheit der Arbeitnehmerinnen aufgrund des Brexits, da Großbritannien mit diesem die Sozialrechte der Europäischen Union nicht mehr einhalten muss. Durch eine Reduzierung des Arbeitsschutzes, wie es ihn innerhalb der EU gibt, hofft der Staat auf eine erhöhte internationale Wettbewerbsfähigkeit. „Die Zeit” schreibt hierzu:


„Die Frage ist, warum der britische Staat nicht richtig hinschaut. Ein Hinweis: Mit dem Austritt aus der EU hofft die britische Regierung, vermeintlich zu strengen Auflagen des Arbeitsschutzes der EU aufweichen zu können, um international wettbewerbsfähig zu sein. Der Export von Textilien in die USA ist einer der wichtigsten Punkte in den Gesprächen mit der Regierung in Washington, D.C. über ein Freihandelsabkommen” (Schulz 2020).


Knapp die Hälfte der britischen Arbeitnehmerinnen sind Leiharbeiterinnen, außerdem wird der Mindestlohn nur in den wenigsten Fällen kontrolliert, da den zuständigen Behörden nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen. Durch die fehlende Durchsetzung der Arbeitsstandards fällt es den Unternehmen daher leicht, die Produktion zurück nach Großbritannien zu verlagern. Die wirtschaftliche Struktur des Landes macht es dabei schwer, gegen die herrschenden Bedingungen anzuarbeiten. Somit sind die Zustände der Textilindustrie als eine Folge der neoliberalen Struktur Großbritanniens im Zuge der globalen Wettbewerbsfähigkeit direkt auf die Globalisierung zurückzuführen. Dadurch, dass die prekären Verhältnisse in Leicester öffentlich wurden, wurde es auf der politischen Ebene notwendig und möglich, 2015 den UK Modern Slavery Act durchzusetzen (vgl. Hembach Legal o.D.). Dieser stellt ein Gesetz zur Bekämpfung von moderner Sklaverei dar. Der Modern Slavery Act verpflichtet unter anderem Firmen ab einer bestimmten Größe, Berichte über die Risiken moderner Sklaverei in Zusammenhang mit ihrer Arbeit zu veröffentlichen, sowie Berichte dazu, was die Unternehmen selbst tun, um moderne Sklaverei innerhalb ihrer eigenen Lieferketten zu verhindern. Der Modern Slavery Act wurde seit seinem Inkrafttreten häufig kritisiert, da er in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in Unternehmen verschiedener Märkte keine großen Verbesserungen hervorgerufen hat. Zum einen wird kritisiert, dass der Umfang der Berichte nicht genau genug festgelegt sei. Die Unternehmen würden die Möglichkeit haben, sich durch oberflächliche Berichte an den Modern Slavery Act zu halten, ohne wirklich auf die Risiken moderner Sklaverei einzugehen. Die Studie „Risk Averse? Company reporting on raw material and sector-specific risks under the Transparency in Supply Chains clause in the UK Modern Slavery Act 2015” (vgl. Global Initiative 2017) legt dar, dass einige Unternehmen zahlreiche Risiken moderner Sklaverei nicht in ihren Berichten erwähnen. Zum anderen wird ebenfalls kritisiert, dass der Modern Slavery Act sich zu wenig auf den Schutz der Opfer moderner Sklaverei beziehe, sowie die juristische Verantwortung der modernen Sklaverei nicht ausreichend zugeordnet sei. In Bezug auf die Super Fast Fashion-Industrie in Großbritannien dient der Modern Slavery Act den Unternehmen als Vorwand, die Vorwürfe um die Arbeitsbedingungen in ihren Fabriken zu umgehen. Durch die vielen kleinen Betriebe finden sich die Vorwürfe der modernen Sklaverei meist nicht direkt in den Lieferketten der großen Unternehmen wieder. Diese können daher die Beschuldigungen in ihren Berichten revidieren und signalisieren, dass sie keine moderne Sklaverei betreiben. Für die Unternehmen stellt der Modern Slavery Act daher eine Risikoeinschätzung darüber dar, ob moderne Sklaverei in der eigenen Lieferkette stattfindet. Nikolaus Hammer sieht hier ein Problem auf dem Fokus der modernen Sklaverei (siehe Anhang Interview Hammer). Diese trifft nach Definition des Modern Slavery Act nicht immer auf die Arbeitsbedingungen in Leicester zu (siehe im Anhang Interview Hammer). Würde jedoch der Fokus auf die Arbeitsbedingungen und die Verbesserung dieser gerichtet werden, würden damit häufig auch Fälle der modernen Sklaverei automatisch verhindert werden. Der Modern Slavery Act decke somit nur einen relativ kleinen Bereich ab und seine Einhaltung würde in verschiedenen Industrien nicht automatisch zu besseren Arbeitsbedingungen führen. Der Modern Slavery Act sei daher die falsche Herangehensweise. Die Politikerin Liz Kendall repräsentiert Leicester West im britischen Parlament und hob Ende des Jahres 2020 die Bedeutung von Gewerkschaften hervor, um langfristig positive Veränderungen in der Textilindustrie in Leicester erzielen zu können. Dies sei die Grundlage, um die Offenheit und Transparenz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern (UK Parliament 2020). Im Folgenden werden Kritikpunkte, Forderungen und Maßnahmen seitens der relevantesten, einflussreichsten Arbeitsgruppen und Gewerkschaften in Leicester thematisiert. In Reaktion auf die Zustände in den textilverarbeitenden Fabriken in Leicester veröffentlichte die Gruppierung „Labour behind the label” im Juni 2020 ein 20-seitiges Dokument, in dem es die Arbeitsbedingungen massiv kritisiert und weitreichende Konsequenzen fordert. Das Unternehmen Boohoo würde sich demnach durch die ethnischen Hintergründe der Arbeiterinnen in Leicester einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen wollen. In der englischen Stadt ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Arbeitnehmenden in der Textilindustrie ethnischen Minderheiten angehört. Ein großer Teil der Arbeiterinnen innerhalb der Bekleidungsindustrie von Leicester hat einen Migrationshintergrund und familiäre Wurzeln in Indien, Pakistan, Bangladesch, aber auch Somalia und zunehmend osteuropäischen Staaten. Die Arbeitnehmerinnen sehen sich dadurch einer großen Vulnerabilität ausgesetzt:


„These workers are vulnerable to abuse as a result of their immigration status, language skills, integration in the community (and support mechanisms such as union membership etc.) as well as higher unemployment rates. There have also been numerous allegations of links to modern slavery and trafficking” (Labour behind the label 2020: 5).


Viele Arbeitnehmer würden daher die Arbeitsbedingungen akzeptieren, da sie aus im Punkt „Arbeits- und Lebensumstände in Leicester” bereits beschriebenen Gründen auf den Arbeitsplatz angewiesen sind, sowie über keine politische und soziale Organisation (Gewerkschaften, Vereine, …) verfügen, um eine stärkere Position gegenüber ihrem Arbeitgeber zu haben. (Super) Fast Fashion-Unternehmen wie Boohoo hätten laut Labour behind the Label nur wenig Interesse daran, die prekäre Situation der Arbeitnehmerinnen zu verbessern. Eine Vertreterin der Arbeitsgruppe, Megan Lewis, sagt dazu: „Brands like Boohoo make a huge profit by pushing prices as low as they can, and this is why they have allowed the situation to go on like this” (Sanders 2020). Colin Whyatt, regionaler Organisator der Gewerkschaft GMB, ging im selben Jahr davon aus, dass in Leicester rund zweitausend Fabriken illegale Arbeiterinnen beschäftigen, was in rund zehntausend illegalen Arbeitnehmerinnen resultiert, welche besonders empfänglich gegenüber Menschenhandel und moderner Sklaverei wären. Er ergänzte, dass Wirtschaftsprüfer auf einer Konferenz für ethischen Handel im Jahr 2016 in seinem persönlichen Beisein zugegeben hätten, schlechte Bedingungen in den Fabriken ignoriert zu haben, falls durch deren Schließung ein großer Umsatzverlust drohe (vgl. Sanders 2020). Labour behind the Label bemängelt weiterführend den Umgang mit der Coronapandemie in den Textilfabriken, ebenso wie die getroffenen Maßnahmen der Regierung. Letztere habe es habe versäumt, die vergleichsweise hohen Fallzahlen in Leicester auf ihre Ursachen zu überprüfen und entsprechende Konsequenzen zu treffen. Dies könne sowohl als eindeutiger Hinweis auf eine fehlende Kommunikation der Behörden und Regierungsorgane untereinander, als auch einer mangelhaften gemeinsamen Reaktion, sowie einer unzureichenden zusammenarbeitenden Überwachung gesehen werden. Zusätzlich habe die Regierung zwar Vorgaben zur Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregelungen herausgegeben, die Verantwortung zur Einhaltung dieser jedoch gleichzeitig an die Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Ort abgegeben. In der Situation der Marke Boohoo, welche während der Coronapandemie einen regelrechten Boom erlebte, sei es daher nicht überraschend, dass die Produktionsstätten die Coronaregelungen bewusst missachteten, um auch in Zukunft Aufträge seitens des Fashionlabels zu erhalten. Die Annahme der Regierung, dass die textilherstellenden Produktionsstätten in Leicester sich nach Skandalen rund um die Einhaltung von Mindestlohn und Arbeitsstandards an die Coronamaßnahmen halten würden, bezeichnet die Arbeitsgruppe als erstaunlich:


„It is remarkable that the authorities assumed that garment factories in the UK and especially in Leicester, would all provide proper PPE and comply with social distancing, as it is well known that many have been proved unable to enforce minimum wages and basic working conditions in normal circumstances” (Labour behind the label 2020: 11).


Lagerarbeiter, welche für das Label Boohoo arbeiteten, sagten darüber hinaus aus, dass es unmöglich sei, die Coronaregeln einzuhalten und gleichzeitig die Aufträge des Unternehmens zu erfüllen (vgl. Pidd/Walker 2020). Die Kritik richtet sich allerdings nicht nur an die Regierung, sowie Boohoo an sich, sondern auch an die Struktur der Fast Fashion-Industrie. Diese würde demzufolge Arbeitsbedingungen, wie sie in Leicester vorzufinden waren, fördern:


„The Fast Fashion model used by Boohoo and many other brands – of short and often small batch orders with a fast turnaround – encourages unauthorised subcontracting in order to meet low prices, fast production times and volumes needed, and also encourages the exploitation of workers and noncompliance in terms of working conditions and standards” (Labour behind the label 2020: 9).


Durch das Subcontracring bei unbekannten und/oder unautorisierten Arbeitgebern in der Textilindustrie bestehe das Risiko, eine Produktionsstätte zu beauftragen, welche den Mindestlohn nicht auszahle, Arbeitnehmerrechte untergrabe oder Lohnbetrug betreibe. Lewis beschreibt ergänzend: „For too long, brands have distanced themselves from their suppliers, when they know that exploitation is an inevitable outcome from their poor purchasing practices demanding low prices and fast production times” (Sanders 2020). Die Arbeitsgruppe fordert die Regierung Großbritanniens auf, zu erkennen, dass die Zustände in Leicester nicht nur das Ergebnis von skrupellosen Anlieferern, sondern auch ein unvermeidliches Ergebnis des Geschäftsmodells der (Super) Fast Fashion und der fehlenden Regulierung der Preissetzung und Einkaufspraktiken sind. In Reaktion auf die Arbeitsbedingungen in Leicester hat der gewerkschaftliche Dachverband Trades Union Congress (im Folgenden TUC) die Arbeitsgruppe „Apparel & General Merchandise Public Private Protocol” (im Folgenden AGM-PPP) im September 2020 ins Leben gerufen. In dieser werden Einzelhändler, Gewerkschaften, Behörden und Nichtregierungsorganisationen zusammengebracht, um gemeinsam zu erarbeiten, wie die Arbeit im Textilsektor innerhalb Leicesters verbessert werden kann. TUC beschreibt zudem, dass Kriminalität und ausbeuterische Verfahren seit Jahren in der Textilindustrie in Leicester keine Ungewöhnlichkeiten waren. Die großflächigen Aufdeckungen im Jahr 2020 seien definitiv notwendig und angemessen gewesen, jedoch würde dadurch die Textilindustrie in Leicester im Allgemeinen oftmals untergraben werden – verantwortungsbewusste Fabriken würden in denselben Topf geworfen werden wie Produktionsstätten, welche die Arbeitnehmerrechte großflächig missachteten. Ziel sei es daher, die Textilindustrie in Leicester zu revolutionieren und ein neues Arbeitsmodell zu kreieren: „A successful, profitable textile sector in Leicester provides more jobs, better jobs, well paid jobs and not exploited workers” (Trades Union Congress 2021). Unterdessen beschreibt Susan Harris, Direktorin für Rechtsdienstleistungen bei GMB, dass der direkte Zugang der Gewerkschaften in die Textilfabriken weiterhin eine Herausforderung sei. Dies läge zum einen darin begründet, dass die Fabriken (gesetzlich) nicht dazu verpflichtet sind, Gewerkschaften Zutritt zu ihren Räumlichkeiten zu geben. Zum anderen sei jedoch auch das Interesse der Arbeitnehmerinnen an einem Beitritt oder Unterstützung durch örtliche Gewerkschaften gering. Die in Leicester vorgefundene Art der Ausbeutung könne zukünftig verhindert werden, „if people were encouraged to join unions, if we had the right to visit workplaces and have access to workers to question if there was any failure by the employer to comply with legislation - whether that relates to Health and Safety, wages etc” (Sanders 2020). Labour behind the Label ruft die lokalen Behörden zusätzlich dazu auf, sämtliche Produktion für das Fashionlabel Boohoo einzustellen und weitreichende Untersuchungen zu der Missachtung von Sicherheitsmaßnahmen und den Berichten über Betrug in den Zulieferbetrieben des Unternehmens einzuleiten. Die Arbeitnehmerinnen sollten während dieser Zeit ihren vollen Lohn erhalten. Des Weiteren sollten Boohoos Einkaufspraktiken und Kostenrechnungsmodelle (hervorgehend aus der massiven Konkurrenz innerhalb der Fast Fashion-Industrie) daraufhin überprüft werden, ob sie es den Lieferanten ermöglichen, den Mindestlohn einzuhalten. Das Unternehmen solle zudem die volle Verantwortung für seine Lieferkette übernehmen, anstatt diese auf Subunternehmen abzuwälzen (vgl. Levitt 2020) und mehr Transparenz bieten. Dazu äußert sich Labour behind the Label:


„Boohoo must commit to paying living wages for all workers in their supply chain and crucially, they should commit to supply chain transparency. Other brands have published lists of factories and workshops where their clothes are made, and Boohoo must do this too” (Sanders 2020).


Die Regierung Großbritanniens wird dazu aufgefordert, die Schutzmaßnahmen zur Gewährleistung von COVID-19-Sicherheitsmaßnahmen eingehend in den Unternehmen und Fabriken vor Ort überprüfen zu lassen und regelmäßige Inspektionen durch die Health and Safety Executive Großbritanniens durchzuführen, um nicht eingehaltene Vorgaben für Arbeitsbedingungen vor Ort aufzudecken und Arbeitnehmerinnen zu schützen. Lewis fügt hinzu, dass die Regierung fortführend die Verantwortung für die Vulnerabilität der Arbeitnehmenden, hervorgehend aus wirtschaftlichen Ungleichheiten, sowie Benachteiligungen aufgrund der Herkunft übernehmen müsse: „The government must also take responsibility for the wider economic and racial inequalities that leave workers vulnerable to such exploitative labour” (Sanders 2020).


2.7 Boohoo Review

Der folgende Abschnitt befasst sich genauer mit den Aussagen der eigenfinanzierten und beauftragten Review von Boohoo zu den „unannehmbaren” (vgl. Levitt 2020) Arbeitsbedingungen innerhalb der Lieferkette. Ziel dabei ist es zu untersuchen, inwiefern das Review die Frage der Schuld und der Verantwortung des Unternehmens innerhalb Leicesters herausarbeitet. In seinem selbst finanzierten Review erkennt Boohoo die unannehmbaren Arbeitsbedingungen, welche bereits ausführlich in „Arbeits- und Lebensbedingungen in Leicester” aufgezeigt wurden, an, akzeptiert, dass die Kontrolle der Fabriken mittels der „schwachen Corporate Governance” nicht ausreichen, und die fehlende angemessene Bewertung des Risikos für die Arbeitnehmerinnen während der Coronapandemie unentschuldbar sei. Das Unternehmen weist gleichermaßen jedoch jegliche Verantwortung von sich und verortet diese bei den Behörden.


„7. Inaction by the authorities has contributed significantly to the deficiencies I have found. Legislation is not merely a system for regulating society but also the mechanism by which society’s values and priorities are communicated. If the law is not enforced, this sends a clear message that the violations are not important and the people affected do not matter” (Levitt 2020: 220).


Eine Teilschuld wird im Review in der Überwachung der Lieferkette anerkannt. Die weit unter der Norm befindlichen Standards seien durch zu geringe finanzielle Mittel, das Fehlen einer 30 Methode zur Einbindung neuer Lieferanten, Informationsasymmetrien innerhalb der Kette, das blinde Verlassen auf Audits und die Umsetzung des internen Compliance-Teams zustande gekommen. In diesem Kontext lässt sich festhalten, dass in dem Review von Boohoo die moderne Sklaverei (Modern Slavery) verurteilt wird. Zwar handelt es sich in Leicester nicht um moderne Sklaverei, aber trotzdem schlägt Boohoo keine konkreten Umsetzungsmethoden, die zur Verbesserung der „unannehmbaren Bedingungen” (Levitt 2020) innerhalb der Lieferkette beitragen würden, vor. Grundsätzlich lässt sich folgendes Dilemma erkennen: Findet eine Verbesserung der Arbeitnehmer-Bedingungen innerhalb eines Zulieferers von Boohoo statt, ist dies automatisch mit einer Kostensteigerung des Zulieferers verbunden. Einfache Beispiele sind hier die Auszahlung von Mindestlöhnen, einfachste Arbeitsschutzmaßnahmen oder die Einführung von festen Arbeitszeiten. Die zu deckenden Kosten werden über das Produkt an den Warenabnehmer (in diesem Fall Boohoo) weitergegeben. Jedes Unternehmen hat den Anreiz, Produkte möglichst günstig anzubieten, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Im Fall von Boohoo als Super Fast FashionUnternehmen ist das Geschäftsmodell viel stärker auf diesen Faktor als Wettbewerbsvorteil ausgelegt. Steigen die Produktionskosten eines Zulieferers nur minimal, wird dieser direkt konkurrenzunfähig. Das Unternehmen wird vom Markt verdrängt und ein neuer Player bekommt den Auftrag. Der zugleich extreme Wettbewerb in Leicester führt dazu, dass ein Arbeitgeber, welcher seine Arbeitsbedingungen zugunsten der Arbeitnehmer angepasst hat, vom Markt verdrängt wird, weil er vergleichsweise höhere Kosten für seine Produkte/Waren verlangt und keine Aufträge mehr bekommt. Tatsächlich gibt es Berichte von Unternehmen, die versuchen, durch teurere Maschinen die Produktivität konkurrenzfähig zu halten, während die Arbeiter nach Mindestlohn bezahlt werden. Häufig ist das jedoch nicht wirtschaftlich (vgl. O’Connor 2018). Die Bedingungen in den einzelnen Betrieben werden auch aufgrund der schlechten politischen Organisationfähigkeit der Betroffenen nicht verändert. Würden sich mehrere Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zusammenschließen und über die ihre Konditionen verhandeln, könnte sie einen Druck auf den Auftraggeber Boohoo ausüben und innerhalb der Hersteller die Bedingungen verbessern, da nicht auf andere Betriebe ausgewichen werden könnte (vgl. Hammer et al. 2015). Mit einem bewussten Einstieg des Unternehmens in die Fast Fashion-Industrie sollte auch eine bewusste Auseinandersetzung mit den Kostenstrukturen stattgefunden haben. Durch eine solche Betrachtung hätte deutlich werden müssen, dass eine derartige Produktion sich nur dann wirtschaftlich lohnt, wenn die gleichen Konditionen aus dem Ausland auch in England 31 umgesetzt werden. Eine einfache Observation der Kosten der Subcontracter für die Herstellung von Mode hätte Boohoo aufhorchen lassen sollen. Die von Boohoo angeführten Argumentationen und Schuldabweisungen sind selbst in der eigenen Argumentation nicht haltbar. Ein deutlicher Beweis findet sich hierbei in dem Punkt 10 in der Conclusion.


„10. I have concluded that the answers given by Board members to me when I asked whether Boohoo has a responsibility for the workers in its supply chain are highly significant. They answered that such responsibility as there was was either a moral one or some kind of nebulous and ill-defined ‘duty of care’. No Board member said that the responsibility is at least in part derived from the duty to act in the best interests of all the shareholders. In my view it is unarguable but that the Board has a duty not to allow a situation to develop that causes such severe reputational damage that it results in a significant devaluation of the shares” (Levitt 2020: 221).


Im Punkt 10 des Boohoo-Reviews wird argumentiert, dass der Verwaltungsrat den Imageschaden des Unternehmens hätte verhindern sollen; einen Rufschaden, welcher zur Abwertung der Aktie geführt hat und damit, dem Review folgend, nicht im Interesse aller Shareholder war. Eine derartige Argumentation arbeitet einseitig mit einer ökonomischen Methodologie, oder einem Weltbild des homo oeconomicus, welche keinen wirklichen Schaden im Leben der Arbeitnehmer der genannten Fabriken sieht. Als Problem wird hier nicht das Leid der Weberinnen in Leicester dargestellt, sondern der Verlust der Investoren. Zwar wird von einer Verpflichtung des Vorstands gesprochen, jedoch geht diese Verantwortung nur mit einer ethischen eindimensionalen Vorstellung einher, die nicht in der Lage ist, das Gemeinwohl der Gesellschaft zu betrachten, sondern ausschließlich (kleinere) Teilgruppen. Ein solcher Ansatz kann daher auch nicht gesellschaftsfähig sein. Boohoo als Unternehmen trägt eine offensichtliche Teilschuld für die Konditionen in Leicester, da sie als Auftraggeber die Unternehmen finanziert haben, in welchen diese Bedingungen vorgelegen haben. Hinzu kommt, dass die Kosten der Produkte nicht einmal hoch genug sind, um die Arbeiter dafür im Rahmen des Mindestlohns bezahlen zu können (vgl. O’Connor 2018). Von diesem Geld müssen zusätzlich auch noch die Kosten für Maschinen, Material und Manager gedeckt werden. Insofern sollte es durchaus bekannt gewesen sein, dass die Arbeitsstandards nicht eingehalten werden. Zusätzlich spricht die Financial Times davon, dass die Ausbeutung der Arbeitskräfte ein offenes Geheimnis ist: „Perhaps the strangest thing about this labour exploitation is that it is an open secret. Central government knows; local government 32 knows; retailers know” (O’Connor 2018). Gleiches gilt für die einzelne Brand. Wie uns Nikolaus Hammer in einem Interview bestätigt, sind die Unternehmen sehr gut untereinander vernetzt: „Die wissen sogar, wenn jemand mit dem Auto von London nach Leicester fährt, […], dass diese Person da war, letzten Samstag” (siehe Anhang Interview Hammer).


„14. I have concluded that in truth Boohoo has not felt any real sense of responsibility for the factory workers in Leicester and the reason is a very human one: it is because they are largely invisible to them. It is hard for people to empathise with the plight of those of whom they know little” (Levitt 2022: 222).


Boohoo gibt an dieser Stelle zu, dass es seine Verantwortung nicht wirklich wahrgenommen hat. Dies wird damit erklärt, dass der Grund insofern ein ‘menschlicher’ sei, als dass es dem Menschen schwerfällt, sich in die Lage derer einzufühlen, zu denen er keine Beziehung hat. Dabei wird durchaus impliziert, dass die Situation tragisch ist, aber das Handeln von Boohoo nicht zu verurteilen ist, weil es typisch menschlich gewesen sei. Kurzum: Es könnte implizit als eine Rechtfertigung verstanden werden. Doch ein Grund bzw. eine Begründung ist nicht gleichzusetzen mit einer Rechtfertigung, weil letztere auch immer ein Stück weit Schuld abweist. Jede Rechtfertigung hat eine Begründung, aber nicht jede Begründung bietet Rechtfertigung. Allgemein wird die Begründung, welche Boohoo hier anführt, genutzt, um das Verhalten von Menschen in Bezug auf Katastrophen zu begründen. Die Stärke der Reaktion hängt zumeist von der Distanz zur Katastrophe ab. Ist diese weit weg, dann fällt die Reaktion weniger schwer aus und umgekehrt, so jedenfalls die Kritik (vgl. Huber 2018). Boohoo setzt damit implizit beide Sachverhalte gleich, um dadurch ihre Schuld von sich zu weisen. Die Aussage ist im Prinzip: Boohoo hat den gleichen Fehler gemacht, den die meisten Menschen regelmäßig auch begehen. Damit wird ihr Verhalten verharmlost. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Sachverhalten. Während Boohoo der maßgebliche Auslöser für die Zustände der Arbeitnehmer in Leicester ist, haben die Menschen überwiegend keinen Einfluss auf die Entstehung einer Katastrophe. Entsteht in Mosambik ein Bürgerkrieg, dann ist ein durchschnittlicher deutscher Bürger nicht der Auslöser dafür.


Subcontracting

Boohoo produziert seine Waren nicht alleine, sondern beauftragt sogenannte Subunternehmer. Bei diesen Subunternehmern handelt es sich um eine Vielzahl von kleinen Betrieben, die eher innerbetriebliche Arbeit für das jeweilige Unternehmen (Boohoo) erledigen. Speziell in 33 Leicester produzierten im Jahr 2020 knapp 80 Prozent der ansässigen Textilhersteller für Boohoo (siehe Anhang Interview Hammer). Dem Unternehmen wurde vor der CoronaPandemie vorgeworfen, die hohe Konkurrenz seiner Produzenten auszunutzen, um die Preise zu senken. Innerhalb des (Super) Fast Fashion-Modells bedeutete eine Preissenkung, dass illegale Niedriglöhne wahrscheinlicher wurden und es zu erzwungenen Überstunden sowie unregelmäßigen Arbeitszeiten kam, so Labour behind the label in einem Report (vgl. Labour behind the label 2020). Die hauptsächlich kleinen Bestellmengen mit kurzen Bearbeitungszeiten (von der Herstellung bis zum Kunden) ermutigen zusätzlich zur Ausbeutung von Arbeitnehmern und zur Nichteinhaltung von Arbeitsbedingungen und Normen (vgl. Labour behind the label 2020). Zwar kommt es nicht innerhalb des Unternehmens Boohoo zu rechtswidrigen und unannehmbaren Verstößen gegenüber den Arbeiterinnen, jedoch bewirken die von Boohoo auferlegten Rahmenbedingungen diese. Falsch wäre es dabei, von einer Unschuld der Subunternehmen zu sprechen. Nicht nur wird die Verantwortung über das Schicksal der Arbeiterinnen zwischen Boohoo und der Lieferkette hin und her geschoben, gleichzeitig bedingen sich die Konditionen gegenseitig. Preissenkungen sorgen für mehr Konkurrenz innerhalb der Lieferkette und zum Erhalt immer geringerer Zahlungen für die Subunternehmer und deren Angestellte (vgl. O’Connor 2018). Die Hersteller versuchen nun, die Produkte zu diesen niedrigen Preisen herzustellen und lassen die unannehmbaren Bedingungen innerhalb ihrer Unternehmen zu. Grundsätzlich lässt sich annehmen, dass, wenn es kein Subunternehmertum in diesem Bereich geben würde, sondern Boohoo selbst für die Produktion verantwortlich wäre, es einen Zuständigen gäbe. Dies würde es erleichtern, die vorherrschenden Verhältnisse zu unterbinden und Boohoo in die Verantwortung zu ziehen. Durch eine zentralisierte Verantwortung wären keine Kontrollen aller Fabriken notwendig, da, sobald ein Betrieb, beispielsweise Boohoo, gegen die Arbeitsstandards verstößt, zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Aktuell werden kleine Fabriken nach einer Kontrolle einfach geschlossen. Meist eröffnet eine andere nur kurze Zeit später und nimmt ihren Platz ein. Dies würde für einen einzelnen Verantwortlichen keinen Sinn ergeben. Die Kosten der Arbeitsstandards könnten leichter geltend gemacht werden. Das Paradoxon wird noch deutlicher, wenn man die Entwicklung der Industrie an sich betrachtet. Fehlende Institutionen, Organisationen und Gewerkschaften im Ausland sowie wesentlich geringere Preisstrukturen für die Herstellung von Mode führten zum Outsourcing. Nicht das Ausland bedingt als solches die günstige Arbeit, sondern der Zustand des Faktors Arbeit. Die gleichen Bedingungen, die den Faktor Arbeit im Ausland so günstig gestalten, wurden jetzt importiert, mit dem gleichen Effekt: Die Arbeitgeber können die Arbeit so günstig 34 einkaufen, dass sie sich sogar gegen Maschinen durchsetzen (vgl. O’Connor 2018). Wie ausführlich dargestellt wurde, führt dies parallel zu ‘externen Kosten’ zum Leidwesen der Arbeitnehmerinnen: Beispielsweise Nichteinhaltung von Arbeitszeiten, Mindestlöhnen, Normen, Arbeitsbedingungen, et cetera (vgl. Labour behind the label 2020).


Ethik der Verantwortung

Zum Abschluss dieses Unterkapitels lohnt es sich, das Handeln von Boohoo philosophisch genauer zu betrachten. Sogar das von Boohoo eigens beauftragte und bezahlte Review ist zu dem Schluss gekommen, dass das Unternehmen seiner Verantwortung nicht nachgekommen ist, aber hat darüber hinaus nicht weiter erörtert, was wirklich in seinen (ethischen) Verantwortungsbereich fällt (vgl. Levitt 2020). Außerdem lässt es offen, ob Boohoo Schuld zugesprochen werden kann. Implizit wird Boohoo eher in Schutz genommen. Daher wird dieser Abschnitt mit Hilfe von Hans Jonas’ Ethik der Verantwortung das Handeln von Boohoo betrachten. Nach Hans Jonas hat der Mensch durch die immer weiterlaufende Entwicklung der Technik die Notwendigkeit für einen neuen modifizierten kategorischen Imperativ begründet. Die fortlaufende Entwicklung der technischen Möglichkeiten (siehe dazu „Narrativ”) bedeutet gleichermaßen ein Ausweiten der Konsequenzen des menschlichen Handelns. Beispielsweise können menschliche Handlungen der Gegenwart zukünftige Generationen belasten (Jonas 1979: 15). Damit begründet Hans Jonas die Notwendigkeit eines gleichermaßen größer werdenden Verantwortungsbewusstseins. Konkret sagt er:


„Der endgültig entfesselte Prometheus, dem die Wissenschaft nie gekannte Kräfte und die Wirtschaft den rastlosen Antrieb gibt, ruft nach einer Ethik, die durch freiwillige Zügel seine Macht davor zurückhält, dem Menschen zum Unheil zu werden“ (Jonas 1979: 7).


Dazu entwickelt Hans Jonas die Heuristik der Furcht, es soll mit dem Schlimmstmöglichen gerechnet werden, um dessen Eintreten zu verhindern. Die Konsequenzen des Schlimmen sind aufgrund der technischen Möglichkeiten zu groß, um sich den Fehler zu erlauben, sie zu unterschätzen: „Es ist die Vorschrift, primitiv gesagt, dass der Unheilsprophezeiung mehr Gehör zu geben ist als der Heilsprophezeiung“ (Jonas 1979: 70). Hans Jonas entwickelt einen an Kant angelehnten kategorischen Imperativ, der auch ökologischer Imperativ genannt wird. Hans Jonas schreibt: „Handle so, daß die Wirkungen 35 deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden“ (Jonas 1979: 36). Dieser unterscheidet sich dadurch von Kants Imperativ, dass er die bei den Konsequenzen menschlichen Handelns, durch Technik neu hinzukommende Ebene der Zeit mit betrachtet. Außerdem sind die gedachten Folgen des Handelns bei Jonas nicht hypothetischer Art, sondern reale, die Zukunft betreffende Folgen (vgl. Jonas 1979: 37). Für die Bewertung einer Handlung ist somit nicht mehr bloß ihre Intention, sondern es sind ihre Folgen, einschließlich der ungewollten Folgen, zentral. Im Fall Boohoo ist klar, dass die Preise, die es für die Produkte an Zulieferer bezahlt, durchaus ein deutliches Signal sind und als solche auf die Arbeitsbedingungen hingewiesen haben. Nach Hans Jonas’ Konzept hätte Boohoo an dieser Stelle die Verantwortung gehabt, seine Lieferkette eindeutig zu analysieren, bevor es auf der Basis dieser Preise sein Geschäft aufbaut. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass Boohoo von den Bedingungen der Arbeiterinnen wusste, da diese, wie oben dargelegt, ein offenes Geheimnis waren. Insofern ist Boohoo an dieser Stelle, ob mit oder ohne Kenntnis von den Zuständen in der Lieferkette, seiner Verpflichtung nicht nachgekommen. Darüber hinaus ist eine zweite Folge von Boohoos Handeln, dass der Steuerzahler ungewollt für einen Teil der „externalisierten“ Kosten übernimmt. Wie bereits in „Arbeits- und Lebensbedingungen in Leicester“ veranschaulicht wurde, müssen viele Arbeitnehmerinnen ihren Lohn durch Sozialhilfen verbessern. Dies gleicht in der Wirkung einer Subvention. Da Boohoo global handelt, profitieren ausländische Kunden somit abstrakt logisch von dem Steuerzahler. Dies fällt ebenfalls in die Verantwortung von Boohoos wissentlichem oder unwissentlichem Handeln. Die dritte Verantwortung, die Boohoo trifft, ist die, die am direktesten gegen den ökologischen Imperativ verstößt. Die Produktion der Kleidung, die verkauft wird, findet zu einem wesentlichen Teil auch durch eine massive Schädigung an der Natur statt. Beispielsweise werden circa 30 Prozent aller Kleidung wegen Fehleinschätzung des Konsumentenverhaltens gar nicht verkauft, sondern direkt verbrannt (vgl. Ehrenstein 2022). Da die Kleidung zu einem großen Teil aus Plastik besteht (vgl. Hughes 2021), findet damit nicht nur ein Drittel der Produktion ohne Nutzen statt und es wird ebenfalls nicht nur ein Drittel der dafür aufgewandten Steuermittel verschwendet, sondern die Umwelt auch massiv mit einer hohen CO₂-Bilanz belastet. Boohoo kommt somit seiner Verpflichtung gegenüber den Arbeitnehmern in der Lieferkette, seiner Verpflichtung gegenüber der britischen Bevölkerung (Steuerzahler) sowie seiner Verpflichtung gegenüber der Umwelt nicht nach. Damit ist sein Handeln nicht verträglich „mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden“ (Jonas 1979: 36) und verstößt mit seinem Verhalten auf ganzer Linie gegen das Konzept einer Ethik der Verantwortung.


3. Schluss

3.1 Verbindung von Narrativ und Leicester

Die Frage, inwiefern die Zustände in Leicester die Auswirkung einer Schattenseite der Globalisierung sind, lässt sich insbesondere anhand der wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Globalisierung verstehen.


Wirtschaft

Wie in „Narrativ“ erläutert wurde, beschleunigt sich der Kapitalismus zwangsläufig. Dabei wurde dargestellt, dass es für das Ausmaß der Beschleunigung auf die Rahmenbedingungen des Kapitalismus ankommt. Die Globalisierung hat die Beschleunigungswahrscheinlichkeit maximiert. Diese hat sich zuletzt in Form der Digitalisierung manifestiert und rein digitale Unternehmen wie Boohoo ermöglicht. Zusätzlich hat die Beschleunigung ein Zurückholen des Faktors Arbeit an den Absatzmarkt, sowie den Handel über Internetplattformen zu einem Wettbewerbsvorteil gemacht. Daher ist das Insourcing der Produktion eine notwendige Folge der Globalisierung. Der Ursprung der wirtschaftlichen Globalisierung liegt, wie ebenfalls in „Narrativ“ gezeigt, in politischem Handeln. Durch das Wegfallen der Handelsbarrieren und die Reduktion grenzüberschreitender Transaktionskosten wurde das Outsourcing enorm begünstigt. In der Folge sind die Produktionskosten enorm gesunken, vor allem, weil die Kosten durch Arbeits- und Sozialstandards im Ausland nicht anfielen und unter prekären Bedingungen gearbeitet wurde. Ganz im Sinne des Race the Bottom Ansatzes fand der Unterbietungswettbewerb der Unternehmen durch die globale Konkurrenz auch bei Kosten statt, die durch Standards anfallen. Jedoch bekommt „Race to the Bottom“ durch den Aspekt der Beschleunigung eine ganz neue Konnotation. Als das Insourcing durch die Beschleunigung zu einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil wurde, war es schwierig, diesen Vorteil bei Einhaltung der Arbeits- und Sozialstandards geltend zu machen. Es stellt sich heraus, dass nicht das Ausland als solches die günstige Arbeit bedingt, sondern der Zustand des Faktors Arbeit. Es zeigt sich, dass sich die gleichen Bedingungen, die den Faktor Arbeit im Ausland so günstig gestalten, auch in England durchgesetzt haben. Wie in „Arbeits- und Lebensbedingungen in Leicester“ gezeigt, können die Kosten für Arbeitskräfte günstig gehalten werden, indem letztere keine Möglichkeiten haben, die Arbeits- und Sozialstandards geltend zu machen. Folglich hat die Globalisierung das Insourcing des Arbeitsfaktors unter den beschriebenen Zuständen notwendig gemacht.


Politik

Die Globalisierung hat zudem zu einem globalen Konkurrenzdruck zwischen den Volkswirtschaften geführt, wodurch ein Anreiz gegeben ist, die Arbeitsstandards im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit zu senken und nicht zu überprüfen. Wenn der Staat seine aktuelle Gesetzgebung durchsetzen würde, wären die Zustände in Leicester trotz der wirtschaftlichen Anreize der Globalisierung nicht möglich.


Philosophie

Wie anhand der Ethik der Verantwortung gezeigt wurde, hat weder die Handlung von Boohoo noch ihre Stellungnahme einen Anspruch darauf, wirklich ethisch vertretbar zu sein. Dies spiegelt auch die öffentliche Meinung wider. Daran hat keine der beobachteten Entwicklungen etwas geändert. Die Globalisierung hat sich insofern wenig auf die ethische Einstellung der Gesellschaft ausgewirkt. Die Zustände der Arbeitsbedingungen in Leicester werden weiter kritisiert und finden keine Zustimmung. Dies zeigt sich deutlich an dem Verlauf des Aktienkurses von Boohoo. Zugleich ist die Ablehnung der Entwicklung nicht so groß, dass sie sich in relevanter Form in den Wahlergebnissen beziehungsweise der Handlungen der Politik widerspiegeln.


Leicester als Prototyp

Wir bezeichnen Leicester als Prototyp, da es sich um ein Musterbeispiel von den Schattenseiten der Globalisierung handelt, welche wir in dieser Ausarbeitung untersuchen. Leicester ist deswegen ein Prototyp, weil es sich im Ursprungsland, sowie der Ursprungsindustrie des modernen Kapitalismus befindet und sich die Entwicklungen besonders anschaulich mit dem Narrativ verdeutlichen lassen. Mit dem Prototyp versuchen wir zu illustrieren, welche Folgen ein derart beschleunigender Kapitalismus in einer Gesellschaft haben kann. Leicester ist nach wie vor der Knotenpunkt von (Super) Fast Fashion in Großbritannien, aber mittlerweile kein Einzelfall mehr. Ähnliche Produktionscluster finden sich beispielsweise auch in Prato, Italien. Großbritannien hat die EU verlassen, dennoch setzt sich der Trend besonders deutlich in der Textilindustrie fort, indem mittlerweile 45 Prozent der Deutschen bevorzugt, Fast Fashion kaufen (vgl. Julian 2022). Das Wiederkehren globalisierter, beschleunigter kapitalistischer Strukturen kann demnach nicht nur im Vereinigten Königreich als Warnung verstanden werden.


3.2 Fazit

Die Forschungsfrage dieser Ausarbeitung, ob die Unterschreitungen der Arbeits- und Sozialstandards in Leicester eine Schattenseite der Globalisierung sind, kann somit eindeutig beantwortet werden. Die Zustände der Textilindustrie in Leicester sind durch die Auswirkungen der Globalisierung entstanden und somit eine Schattenseite der Globalisierung. Darüber hinaus legt der Grund für die Unterschreitung der Arbeits- und Sozialstandards in Leicester nahe, dass es keine ortsspezifische Auswirkung, sondern eine strukturelle Tendenz ist. Da diese Ausarbeitung ein Fallbeispiel untersucht, kann hier noch keine strukturelle Entwicklung nachgewiesen werden. Weitere Untersuchungen von Beispielen wie Prato (Italien) (vgl. Spiegel 2006) oder Almeria (Spanien) könnten untersuchen, ob es sich tatsächlich um eine strukturelle Entwicklung handelt (vgl. Lünenschloß 2021).


Der geschlossene Kreis & die Veränderungen

Was diese Ausarbeitung gezeigt hat, ist, dass es im Falle Leicesters nach dem Outsourcing im 20. Jahrhundert nun zu einem Insourcing gekommen ist. Spannend dabei ist, dass nicht einfach nur der Produktionsstandort zurück nach Großbritannien verlagert wird, sondern vor allem auch die Arbeitskräfte und Arbeitsbedingungen. Damit kommt die Produktion zurück an ihren ursprünglichen Standort, jedoch unter ganz anderen Bedingungen. Der Kreis schließt sich somit, aber das Blatt hat sich gewendet. Der Prozess lässt sich an der Konstruktion eines Möbiusbands verbildlichen. Um es in den Worten der Japanisch-Deutschen Künstlerin Hito Steyerl zu fassen:


„Wenn man einen schmalen Streifen [Stoff] einmal verdreht und dann zusammenklebt, entsteht ein Möbiusband, eine im mathematischen Sinne nicht-orientierbare, einseitige Fläche - unten und oben, innen und außen sind nicht zu unterscheiden. Das in sich verdrehte Band hat lediglich eine Ebene, auf der man sich trotzdem auf verschiedenen Seiten gegenüberstehen könnte“ (Hito Steyerl 2019: 28).


Draußen ist es kalt. Es regnet. Die Regentropfen prasseln gegen die abgedunkelten Fensterscheiben und in Leicester wird weiter produziert.


Charlotte Klamt, Christian Delere, Linda von Velsen und Lukas Knobloch


Statement

Diese Ausarbeitung brachte uns (Lukas und Christian) zum ersten Mal auf die Idee, eine Plattform, wie das StudiWi-Journal zu erstellen. Wir fanden den Gedanken einfach schade, dass eine Arbeit, in die so viel Herzblut geflossen ist, einfach nur auf den Rechnern verstauben sollte.


Literaturverzeichnis

Abrahamson, G., 1953. Econstor, Die Britische Textilindustrie. [Online] Available at: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/131831/1/wd_v33_i12_pp780-784.pdf [Zugriff am 03. 08. 2022]. Anon., 2020. The Guardian, 'Incredible' Boohoo denying knowledge of factory allegations, says MP. [Online] Available at: https://www.theguardian.com/business/2020/jul/16/incredible-boohoo-denyingknowledge-of-factory-allegations-says-mp [Zugriff am 06. 08. 2022]. Arbeitsrechte.de, 2022. Arbeitsrechte, Gilt der Mindestlohn in Großbritannien?. [Online] Available at: https://www.arbeitsrechte.de/mindestlohngrossbritannien/#:~:text=Ja%2C%20Gro%C3%9Fbritannien%20z%C3%A4hlt%20zu%20den %20L%C3%A4ndern%20in%20Europa%2C,liegt%20aktuell%20bei%209%2C63%20Euro% 20%28Stand%3A%20Dezember%202020%29 [Zugriff am 15 08 2022]. Association, H. C., 2022. Highfields centre, Welcome to the Fashion-workers Advice Bureau Leicester (FAB-L). [Online] Available at: https://highfieldscentre.ac.uk/fabl/ [Zugriff am 15. 07. 2022]. Bildung, B. f. p., 2016. Bundeszentrale für politische Bildung. [Online] Available at: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-derwirtschaft/19121/deregulierung/ [Zugriff am 06. 08. 2022]. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016. Bpb, E-Commerce. [Online] Available at: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19319/ecommerce/#:~:text=die%20vollst%C3%A4ndig%20elektronische%20Abwicklung%20von% 20Unternehmensaktivit%C3%A4ten%20in%20einem,und%20im%20Rahmen%20des%20Int ernets%20f%C3%BCr%20elektronischen%20H [Zugriff am 09. 08. 2022]. Carley, M., 2013. Eurofound, The representativeness of trade unions and employer association in the textile and clothing sector. [Online] Available at: https://www.eurofound.europa.eu/publications/report/2013/uk-therepresentativeness-of-trade-unions-and-employer-associations-in-the-textile-and-clothing [Zugriff am 10. 08. 2022]. Carlos Maioce, M. S. J. Z., 2020. Cambridge University Press, Multinational enterprises, political institutions and violence. [Online] Available at: https://www.cambridge.org/core/journals/journal-of-institutionaleconomics/article/abs/multinational-enterprises-political-institutions-and-violence-a-casestudy-from-mozambique/2D2971FB2D9DF333DADBA5FC0FA342C9 [Zugriff am 15. 08. 2022]. Council, L. C., 2022. Story of Leicester, Friars Mill. [Online] Available at: https://www.storyofleicester.info/a-working-town/friars-mill/ [Zugriff am 03 08 2022].

Council, L. C., 2022. Visit Leicester, Abbey Pumping Station. [Online] Available at: https://www.visitleicester.info/see-and-do/abbey-pumping-station-p696531 [Zugriff am 03 08 2022]. CrimeStoppers, 2020. Crime Stoppers, Fighting forced labour in Leicestershires Garment Sector. [Online] Available at: https://crimestoppers-uk.org/campaigns-media/campaigns/fighting-forcedlabour-in-leicestershire%E2%80%99s-garment-sector [Zugriff am 10 08 2022]. Dieckheuer, G., 2001. Internationale Wirtschaftsbeziehungen. 5. Auflage Hrsg. München: R. Oldenbourg Verlag München Wien. Ehrenstein, C., 2022. Welt, Deutschlands langsame Stragetie gegen Fast Fashion. [Online] Available at: https://www.welt.de/politik/ausland/article238432627/Billig-TextilienDeutschlands-langsame-Strategie-gegen-Fast-Fashion.html [Zugriff am 04 08 2022]. EU-Info Deutschland, 2019. EU-Info Deutschland, Mindestlöhne in der Europäischen Union. [Online] Available at: https://www.eu-info.de/arbeiten-europa/jobsuche-arbeiteneuropa/mindestloehne/ [Zugriff am 06. 08. 2022]. Fischer, U., 2020. Institute of Organization Science, CSR Embeddedness in the garment industry: internal and external drivers. [Online] Available at: https://epub.jku.at/obvulihs/content/titleinfo/5687709/full.pdf [Zugriff am 10 08 2022]. GLAA, 2020. GLAA, Apparel and General Merchandise Public Private Protocol. [Online] Available at: https://www.gla.gov.uk/i-am-a/i-use-workers/apparel-and-general-merchandisepublic-private-protocol/ [Zugriff am 16. 07. 2022]. Global Initaitive, 2017. Global Initiative, Risk Averse? Company reporting on raw material and sector-specific risks under the Transparency in Supply Chains clause in the UK Modern Slavery Act 2015. [Online] Available at: https://globalinitiative.net/analysis/risk-averse-company-reporting-on-rawmaterial-and-sector-specific-risks-under-the-transparency-in-supply-chains-clause-in-the-ukmodern-slavery-act-2015/ [Zugriff am 14. 08. 2022]. GPA, kein Datum gpa, Großbritannien - Beispiel neoliberaler Politik. [Online] Available at: https://www.gpa.at/themen/internationales/archiv/grossbritannien-beispielneoliberaler-politik [Zugriff am 13. 08. 2022]. Greenpeace, L. Y. R., 2017. Greenpeace, Konsumerkollaps durch Fast Fashion. [Online] Available at: https://greenwire.greenpeace.de/system/files/2019- 04/s01951_greenpeace_report_konsumkollaps_fast_fashion.pdf [Zugriff am 07. 08. 2022]

Greg Peters, M. L. M. L., 2006. Journal of Cleaner Production, The need of decelerate fast fashion in a hot crime - A global sustainability perspektive on the garment industry. [Online] Available at: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0959652621006107 [Zugriff am 11. 08. 2022]. Hamburg, M. f. K. u. G., 2015. MK&G, Fast Fashion - Die Schattenseiten der Mode. [Online] Available at: https://www.dbu.de/OPAC/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-32106- Ausstellungskatalog.pdf [Zugriff am 04 08 2022]. Hammer, N., 2022. Univer. Prof. Dr. [Interview] (01. 07. 2022). Hammer, N., Plugor, R., Nolan, P. & Clark, I., 2015. Research Gate, New Industry on a Skewed Playing Field: Supply ChainRelations and Working Conditions in UK GarmentManufacturing. [Online] Available at: https://www.researchgate.net/publication/272493609_A_New_Industry_on_a_Skewed_Playi ng_Field_Supply_Chain_Relations_and_Working_Conditions_in_UK_Garment_Manufacturi ng [Zugriff am 02. 07. 2022]. Han, B.-C., 2016. Süddeutsche Zeitung, Die Totalausbeutung des Menschen. [Online] Available at: https://www.sueddeutsche.de/politik/hyperkapitalismus-und-digitalisierung-dietotalausbeutung-des-menschen-1.3035040 [Zugriff am 05 08 2022]. Hembach Legal, 2022. Hembach Legal, Der "UK Modern Slavery Act". [Online] Available at: https://rechtsanwalt-lieferkettengesetz.de/der-uk-modern-slaveryact/#:~:text=Der%20UK%20Modern%20Slavery%20Act,mit%20ihrer%20Gesch%C3%A4fts t%C3%A4tigkeit%20zu%20ver%C3%B6ffentlichen [Zugriff am 14. 08. 2022]. Hilt, K., 2010. Planet Wissen, Das Fließband – eine Erfolgsgeschichte?. [Online] Available at: https://www.planetwissen.de/gesellschaft/wirtschaft/industrialisierung_in_deutschland/pwiedasfliessbandeineerf olgsgeschichte100.html [Zugriff am 07. 08. 2022]. Huber, J., 2018. Der Tagesspiegel, Sind wir von Empathielosigkeit befallen?. [Online] Available at: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/katastrophen-undmedienberichterstattung-sind-wir-von-empathielosigkeit-befallen/23157988.html [Zugriff am 10. 08. 2022]. Hughes, H., 2021. Fashion United, Brititsche Fast Fashion: Die Hälfte der Kleidung besteht noch komplett aus neuem Plastik. [Online] Available at: https://fashionunited.de/nachrichten/mode/britische-fast-fashion-die-haelfte-derkleidung-besteht-noch-komplett-aus-neuem-plastik/2021062241491 2020]. Hyde, S. G. a. C., 2013. University of Leicester, The Transformation of Leicester. [Online] Available at: https://s3-eu-west-1.amazonaws.com/pstorage-leicester-213265548798/18321326/GunnHydeaug13.pdf [Zugriff am 13 08 2022]. Janker, K., 2021. Süddeutsche Zeitung, Fast, Faster, Super Fast Fashion. [Online] Available at: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fast-fashion-marken-deutschland1.5272604 [Zugriff am 05 2022]. Johnson, J. P., 2008. Targeted Advertising and Advertising Avoidance. [Online] Available at: https://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.491.2999&rep=rep1&type=pdf [Zugriff am 15. 08. 2022]. Jordan, D., 2020. Wear Next, Where are Boohoo clothes made?. [Online] Available at: https://wear-next.com/news/where-are-boohoo-clothes-made/ [Zugriff am 17. 08. 2022]. Julian, 2022. Fast Fashion – Definition, Fakten, Folgen für Mensch & Umwelt. [Online] Available at: https://fairlier.de/wissen/fast-fashion/ [Zugriff am 11. 08. 2022]. Kafi, B., 2017. Zukunftsinstitut. [Online] Available at: https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/work-hard-play-hard-do-yoga/ [Zugriff am 19. 08. 2022]. Kelly, A. B. a. A., 2020. The Guardian, Boohoo booms as Leicester garment factories are linked to lockdown. [Online] Available at: https://www.theguardian.com/uk-news/2020/jul/04/boohoo-booms-leicestergarment-factories-linked-lockdown [Zugriff am 10 2022]. Labour behind the label Blok, 2020. Labour behind the label, LEICESTER GARMENT INDUSTRY. [Online] Available at: https://labourbehindthelabel.org/leicester-garment-industry/ [Zugriff am 05. 08. 2022]. Labour behind the label, 2020. Labour behind the label, Boohoo & covide- 19. [Online] Available at: https://labourbehindthelabel.net/wp-content/uploads/2020/06/LBL-BoohooWEB.pdf [Zugriff am 15. 07. 2022]. Labour behind the label, 2022. Labour behind the lablel, UK Industry: Missguided worker shares his story. [Online] Available at: https://labourbehindthelabel.org/leicester-worker-story/ [Zugriff am 10 2022]. 2022]. Levitt, A., 2020. Independent ReviewI into the boohoo Group PLC’s Leicester supply chain. [Online] Available at: https://www.boohooplc.com/sites/boohoo-corp/files/final-report-open-version-24.9.2020.pdf [Zugriff am 15. 07. 2022]. Liu-Farrer, G., 2017. City Making and Cambridge University Press, Global Labor Regimes: Chinese Immigrants and Italy's Fast Fashion Industry Antonella Ceccagno Basingstoke, Hants:. [Online] Available at: https://www.cambridge.org/core/journals/china-quarterly/article/abs/citymaking-and-global-labor-regimes-chinese-immigrants-and-italys-fast-fashion-industryantonella-ceccagno-basingstoke-hants-palgrave-macmillan-2017-xvii-301-pp-7999-isbn9783319599809/B [Zugriff am 16. 07. 2022]. Lünenschloß, V. & Zimmermann, J., 2021. Ausbeutung mit Unterstützung der EU. [Online] Available at: https://www.daserste.de/information/reportagedokumentation/dokus/sendung/europas-dreckige-ernte-120.html [Zugriff am 13. 08. 2022]. Masheshwari, M. S. B. C. S. N. W. K. K., 2015. National Conference, Achieving business Excellence. [Online] Available at: https://dias.ac.in/wpcontent/uploads/2020/03/NationalConference2019Proceedings.pdf#page=171 [Zugriff am 09. 08. 2022]. Mattihas Kettner, T. V., 2021. Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, Sachzwänge in der kapitalistischen Ökonomie. Ihre Strukturen und Ambivalenzen. [Online] Available at: https://www.sciencegate.app/document/10.5771/1439-880x-2021-2-287 [Zugriff am 18. 07. 2022.]. O'Connor, S., 2018. Financial Times Dark factories: labour exploitation in Britains garment industry. [Online] Available at: https://www.ft.com/content/e427327e-5892-11e8-b8b2-d6ceb45fa9d0 [Zugriff am 10 07 2022]. Parliament, U., 2020. UK Parliament, Worker Exploitation: Leicester Textile Industry. [Online] Available at: https://hansard.parliament.uk/commons/2020-11-18/debates/89538F3D-8813- 4565-8B07-8B7D62E4B72A/WorkerExploitationLeicesterTextileIndustry [Zugriff am 25 07 2020]. Pfister, U., 2020. Westfäliche Wilhelms-Universität, Sozialpolitik und Gesellschaft seit dem späten 19. Jahrhundert. [Online] Available at: https://www.wiwi.unimuenster.de/wisoge/sites/wisoge/files/downloads/skripte/sozialstaat_neu/s04_1940- 1980_folien_002.pdf [Zugriff am 03 2022]. Rabe, L., 2022. Statista, E-Commerce in Deutschland. [Online] Available at: https://de.statista.com/themen/247/e-commerce/#dossierKeyfigures [Zugriff am 03. 08. 2022].

Rosa, H., 2004. Beschleunigung - Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne. Taschenbuch, 12. Auflage Hrsg. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Rusche, C., 2021. Institut der deutschen Wirtschaft, Die Effekte der Corona-Pandemie auf den Onlinehandel in Deutschland. [Online] Available at: https://www.iwkoeln.de/studien/christian-rusche-die-effekte-der-coronapandemie-auf-den-onlinehandel-in-deutschland.html [Zugriff am 10 2022]. Sanders, L., 2020. Euronews, Leicester lockdown unveils the truth about its fast fashion industry. [Online] Available at: https://www.euronews.com/culture/2020/07/12/leicester-lockdown-unveils-thetruth-about-its-fast-fashion-industry [Zugriff am 09. 08. 2022]. Schmidt, F., 2021. Universität Innsbruck, Fast Fashion - Slow Fashion. [Online] Available at: https://diglib.uibk.ac.at/ulbtirolhs/content/titleinfo/6787283/full.pdf [Zugriff am 12. 08. 2022]. Schulz, B., 2020. Zeit Online, Hotspot im Sweatshop. [Online] Available at: https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-07/textilfabriken-leicester-coronalockdown-neuinfektionen-arbeitsbedingungen-sweatshops?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F [Zugriff am 05 2022]. Shah, O., 2020. The Times, Boohoo on the rack over cheap labour. [Online] Available at: https://www.thetimes.co.uk/article/boohoo-on-the-rack-over-cheap-labour3wzklhxhv [Zugriff am 15 2022]. Spiegel, 2006. Spiegel Panorama, Die gelben Italiener. [Online] Available at: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/globalisierung-die-gelbenitaliener-a-250565.html [Zugriff am 03. 08. 2022]. Statista, 2022. Statista, Umsatz der Boohoo Group weltweit in den Geschätfsjahren 2016- 2022. [Online] Available at: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1035470/umfrage/umsatz-derboohoo-group-weltweit/ [Zugriff am 02 2022]. Stenzel, T., 2021. Fashion United, Booho: Was Sie Über den britischen Modegiganten wissen sollten. [Online] Available at: https://fashionunited.de/nachrichten/business/boohoo-was-sie-ueber-denmodegiganten-aus-dem-vereinigten-koenigreich-wissen-sollten/2021031840065 [Zugriff am 03 2022]. Steyerl, H., 2019. Mission Accomplished: Belanciege. Katalog K21, p. 28. Universität Leipzig, kein Datum Uni. [Online] Available at: https://home.uni-leipzig.de/schreibportal/gender/ [Zugriff am 25. 08. 2022]

Voigt, K.-I., 2007. Gabler Wirtschaftslexikon, Economies of Scale. [Online] Available at: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/economies-scale-36167 [Zugriff am 04. 08. 2022]. Weidenhausen, E. M., 2010. Universität Stuttgart, Globalisierungsprozesse in der Textilwirtschaft. [Online] Available at: https://www.google.com/url?q=https://elib.unistuttgart.de/bitstream/11682/1894/1/DoktorarbeitEndfassung.pdf&sa=D&source=docs&ust=1 661428452304020&usg=AOvVaw1Uy-DrSfrXq5cmbahiTjAi [Zugriff am 05 2022]. World Bank, 2018. Our World in Data, Human Capital Index vs. GDp per Capita. [Online] Available at: https://ourworldindata.org/grapher/human-capital-index-vs-gdp [Zugriff am 20. 08. 2022]. Wullweber, J., 2021. Zentralbankkapitalismus. Taschenbuch, Originalausgabe Hrsg. Berlin: Shurkamp.

37 Ansichten

Comments


Commenting has been turned off.
bottom of page